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Wie gefährlich sind radioaktive Strahlen

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Bericht von Dr. L. Niemann vom Mai 2006 zum Thema:

Wie gefährlich sind radioaktive Strahlen?
Über die Krebsgefahr durch radioaktive Strahlung, Sonnenlicht und Alkohol.

In Deutschland stirbt jeder vierte Mensch an Krebs. Wer die Diagnose „Krebs“ von seinem Arzt hört, weiß, dass es nun ernst wird. Verständlich, dass karzinogene (krebserzeugende) Stoffe Ängste auslösen. Doch man muss nicht bei der Angst stehen bleiben. Man kann recht konkret sagen, welches Risiko wo zu finden ist, und selbst entscheiden, wie wichtig es einem ist, es zu vermeiden. Zu den geringeren Krebsrisiken zählen u.a. Sonnenlicht, radioaktive Strahlung und Alkohol.

Radioaktive Strahlen
Radioaktivität gilt heute vielen als die große Bedrohung und die Kernenergie als nicht akzeptables Risiko. Das Wissen um die Gefahr radioaktiver Strahlung beruht im wesentlichen auf der Beobachtung der Überlebenden der Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki, bei denen eine erhöhte Krebsrate festgestellt wurde (s. Abb.1).

Abb. 1: Zunahme des Krebsrisikos ohne Leukämie bei den Überlebenden in Hiroshima
      und Nagasaki 1

Die Maßeinheit für die biologische Wirkung von Strahlung ist Sievert (Sv). Oberhalb einer Dosis von 200 Millisievert (mSv) ist ein zunehmendes Krebsrisiko messbar, wenn die Dosis in kurzer Zeit einwirkt, so wie es in Hiroshima und Nagasaki im Augenblick der Explosion geschehen ist. Das zusätzliche absolute Risiko wird mit 5 Prozent pro Sv angegeben, d.h. wenn 100 Personen mit je 1Sv bestrahlt werden, ist mit fünf zusätzlichen Krebsfällen zu rechnen. Auf Basis dieser Beobachtungen wird heute im Strahlenschutz von zwei Annahmen ausgegangen.

  • Es wird postuliert, dass dieses bei hohen Dosen beobachtete Risiko auch bei kleinen Dosen existiere. Die Annahme ist gleichbedeutend mit einer Extrapolation der Messkurve in Abbildung 1 zum Ursprung – also in einen Bereich, wo grundsätzlich keine Beobachtung zusätzlicher Krebstodesfälle mehr möglich ist. Man spricht bei dieser Verlängerung ohne Schwellenwert nach unten von der LNT-Hypothese (Linear-No-Threshold). Aus dieser Annahme folgt, dass bei der Bestrahlung der tausendfachen Personenzahl (also 100.000 Personen) mit je einer tausendstel Dosis (also 1mSv) ebenfalls fünf zusätzliche Krebsfälle die Folge seien.
  • Es gilt als unerheblich, in welcher Zeit die Strahlendosis einwirkt. Einer über die lange Zeit von einem Jahr einwirkenden Dosis wird das gleiche Risiko (5 Prozent pro Sv) zugerechnet, das bei den Überlebenden als Folge der Kurzzeitdosis gefunden wurde. Dabei ist bekannt, dass bei allen Einwirkungen auf einen lebenden Organismus, sei es nun ionisierende Strahlung oder Licht, seien es Chemikalien wie Alkohol oder andere Kanzerogene, oder seien es dem Körper zusetzende Bakterien oder Viren, immer die Dosis pro Zeiteinheit maßgeblich ist. Wenn das Immunsystem des Körpers gefordert wird, ist es für die Wirkung auf den Organismus wichtig, in welcher Zeit die Dosis zugeführt wird: Je größer die Zeit ist, in der eine Einwirkung geschieht, desto besser kann das Immunsystem einen Schaden abwehren. Diese Tatsache ist uns wohl bekannt: Man bekommt keinen Sonnenbrand, wenn man immer nur kurze Zeit in der prallen Sonne zubringt, und man bekommt keinen Schaden durch Alkohol, wenn man nur hin und wieder ein Gläschen Wein trinkt.
  • Wird nun ein kleines absolutes Risiko, in diesem Falle 0,00005 pro mSv, mit einer sehr großen Bevölkerungszahl von einigen Millionen multipliziert, so kann sich eine sehr hohe Zahl von „Opfern“ ergeben. Allerdings wird auf diese Weise aus 1000 Personen, die jeweils mit der Wahrscheinlichkeit von einem Tausendstel tot sind, ein echter Toter konstruiert – wenngleich mit dem Zusatz, dass dieser Tote nicht nachweisbar sei. Selbstverständlich ist ein solches Vorgehen unsinnig – es gibt nur tot oder nicht tot. Aus vielen tausend teilweise Toten einige wirkliche Tote zu errechnen, ist Fiktion, nicht Wirklichkeit. Dennoch wird beim Strahlenschutz in Bezug auf Radioaktivität heute weltweit genau so vorgegangen.

Ein Beispiel für diese Art von Irreführung liefert Tschernobyl. In den 20 Jahren seit dem Unfall wurde eine große Menge von Horrormeldungen mit einer großen Anzahl zu erwartender Todesfälle veröffentlicht, die Zahlen gingen in die Hunderttausende. Doch die Meldungen beruhen auf der oben beschriebenen unsinnigen Rechenmethode. Auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEO in Wien macht dabei keine Ausnahme, wie erst kürzlich in einer Meldung deutlich wurde, in der von etwa 4000 Opfern die Rede war 2. Auch bei der Berechnung von Opferzahlen durch oberirdische Kernwaffentests findet diese Rechenmethode Anwendung. Der weltweite Fallout hat zu einer Zusatzbestrahlung für alle Menschen auf der Erde um 1mSv geführt 3, was bei einer Milliarde Menschen zu berechneten 50.000 Toten führt. Dennoch werden sogar Opferzahlen genannt, die tausendfach höher liegen, offenbar nimmt man es auch mit der Anzahl der Nullen nicht sehr genau 4.

Mit den besorgniserregenden Meldungen über die vielen „Strahlentoten“ wird in der politischen Debatte über die Kernenergie Stimmung gemacht und Angst erzeugt. In anderen Bereichen mit Zusatzbestrahlung, wie der medizinischen Anwendung von Strahlen, dem Erholungsurlaub von Menschen in Hochgebirgsregionen oder den Flugreisen in die Feriengebiete zu sonnigen Stränden, unterbleiben diese Rechenübungen, obwohl auch dort eine Zusatzbestrahlung stattfindet.

Eine Schädigung von Menschen durch Dosen im mSv-Bereich wurde bisher nicht nachgewiesen 5. Im Gegenteil: Durch eine geringe Zusatzdosis wird das Immunsystem des menschlichen Körpers zu verstärkter Immunabwehr angeregt. Daher haben nach wie vor Radonheilbäder ihren Platz in der Medizin, denn durch Anwendungen mit dem radioaktiven Edelgas Radon können bedeutende Heilerfolge erzielt werden. Die Dosen liegen dabei im Bereich einiger mSv.

Sonnenlicht
Es ist allgemein bekannt, dass der UV-Anteil des Sonnenlichtes Hautkrebs auslösen kann. Die zunehmende Hautkrebsrate bei Westeuropäern ist darauf zurückzuführen 6. Aber auch in diesem Falle ist die Dosisabhängigkeit zu beachten. Der UV-Anteil des Sonnenlichtes ist nur in hoher Dosis gefährlich, daher vermeiden wir tunlichst den Sonnenbrand, denn er ist schädlich. Es wäre aber falsch, von der Gefährlichkeit eines Sonnenbrandes auch auf eine Gefahr bei geringer Sonnenbestrahlung zu schließen. Die wohldosierte Zusatzdosis im Sommer bewirkt die Bräunung der Haut. Das tut nicht nur dem Wohlbefinden gut, sie lässt zum Beispiel lästige Hautunreinheiten verschwinden. Wenn die bei Radioaktivität übliche Argumentation bei Sonnenlicht angewendet würde, könnte man jedem Sonnentag eine hohe Anzahl von Krebsfällen zuschreiben – eine wahrhaft unsinnige Vorstellung.

Gerade das Beispiel Sonnenlicht ist so einleuchtend, dass es von den Ärzten in der Radonheilkunde benutzt wird, um ihren Patienten nicht nur die Unschädlichkeit, sondern die positive Wirkung einer geringen Bestrahlungsdosis plausibel zu machen.

Alkohol
Alkohol ist nicht nur ein Gift und Suchtmittel, sondern auch ein Kanzerogen. Während die ersten beiden Eigenschaften allgemein bekannt sind, ist hier die wenig bekannte krebserzeugende Wirkung von Interesse. Ein Vergleich mit Radioaktivität ist hier durchaus aufschlussreich. Seit 1998 wird Alkohol offiziell (in der MAK-Liste) als Kanzerogen aufgeführt 7, 8. Gemessene Dosisabhängigkeiten sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2: Zunahme des Krebsrisikos bei Alkoholkonsum, Rauchereffekte korrigiert 9

Es fallen beim Vergleich mit Radioaktivität folgende Unterschiede auf:

  • Das Risiko des Alkoholkonsums wird bei dem mittleren Konsum in Deutschland messbar, das Risiko der Radioaktivität wird ungefähr bei der 100-fachen mittleren Dosis in Deutschland messbar (hierbei sei der Einfachheit halber die Zeit und damit die wirklich maßgebliche Dosisleistung außer Betracht gelassen).
  • Das relative Risiko steigt bei Alkohol schnell auf hohe Werte bis zu 50 an, bei Radioaktivität fällt der Anstieg mit einem Höchstwert von 2,5 etwa 20 Mal geringer aus.
  • Es gibt in Deutschland tatsächlich Krebstote durch Alkohol, natürlich nur bei hoher Dosis, wo es auch nachweisbar ist. Die Anzahl wird von den Fachleuten auf etwa 6000 Opfer pro Jahr geschätzt 10. Bei kleiner Dosis unterhalb des mittleren Konsums gibt es keine Schädigung, weil der Körper den Alkohol schnell abbaut. Es wäre unsinnig, eine Extrapolation in den Bereich niedriger Dosis einzuführen (wie es bei Radioaktivität gemacht wird) und in ähnlicher Weise hypothetische Tote zum Beispiel der weltweiten Sylvesterpartys oder des Münchner Oktoberfestes zu errechnen. Tatsächlich ist bekannt, dass geringe Mengen Alkohol auf den Organismus anregend wirken können, eine positive Grundstimmung des Menschen erzeugen, die Blutgefäße erweitern und somit den Kreislauf begünstigen.

Schlussfolgerungen
Für radioaktive Strahlung, den UV-Anteil des Sonnenlichtes und Alkohol gilt die Erkenntnis des Paracelsus. Bei Giften wie auch bei krebserzeugenden Stoffen ist immer die Dosis maßgeblich. „Erst die Dosis macht das Gift!“ Nur eine hohe Dosis, die vom körpereigenen Immunsystem nicht mehr abgewehrt wird, bewirkt einen Schaden. Durch geringe Dosen verursachte Schäden werden durch die Reparaturmechanismen der Zelle behoben und führen daher nicht zur Schädigung und Krebsentstehung. Extrapolationen von hoher Dosis in den kleinen Dosisbereich sind fehlleitend. Die Definition eines kleinen Schadens im Niedrigdosisbereich und die Summierung dieser Schäden an verschiedenen Menschen bis ein Schaden >1 entsteht, ist unsinnig.

Wenn das Immunsystem zur Reparatur eines Angriffes von Schadstoffen gefordert wird, so wird es aktiviert und gewinnt dadurch sogar an Leistungsfähigkeit. Der Trainingseffekt des Körpers wird als „adaptive Antwort“ bezeichnet, auf seinem Prinzip beruhen die Wirkungsweisen von Homöopathie und Impfungen. Erst die Überforderung des Organismus ist schlecht und zu vermeiden. Die Grenzen dazu sind wohl fließend und nicht immer ganz klar, bei jedem Einzelfall liegen sie anders. Das gilt sowohl hinsichtlich des Schadstoffes wie auch hinsichtlich der Person. Das heißt aber nicht, dass es gar keine Grenzen gibt. Bei Radioaktivität ist der Abstand zwischen üblicher Exposition und schädigendem Dosisbereich zum Glück sehr groß, daher sind hier ungewollte Schäden äußerst unwahrscheinlich.

Unter den ausgebildeten Strahlenschützern gibt es gewichtige Stimmen gegen die LNT-Hypothese 5, 11, 12. Da allerdings die Mehrheit ihre berufliche Existenz dieser Hypothese verdankt, die Gesetze inzwischen entsprechend formuliert sind und eingehalten werden müssen und außerdem die öffentliche Meinung in eine einseitige Richtung gedrängt wurde, besteht wenig Aussicht auf Änderung. Der polnische Strahlenschutzexperte und ehemalige Vorsitzende des UN-Wissenschaftsausschusses über die Wirkung atomarer Strahlung (UNSCEAR), Zbigniew Jaworowski, schrieb dazu: „Um bei den Festlegungen mit so niedrigen Dosisgrenzwerten zu bleiben, bezahlt die Gesellschaft Hunderte Milliarden Dollar ohne erkennbaren Nutzen. Jedes durch die gegenwärtigen Werte gerettete hypothetische menschliche Leben wird mit ungefähr 2,5 Mrd. Dollar bezahlt. Diese Ausgaben sind moralisch fragwürdig, denn die begrenzten Ressourcen der Gesellschaft werden ausgegeben, um einen imaginären Schaden zu verhindern, anstatt einen realen Fortschritt der öffentlichen Gesundheit zu erzielen, und niedrige Bestrahlungsdosen sind nützlich für Lebewesen.“ 12

Literatur
1. Erwin Münch u. a.: Strahlenschutz, Radioaktivität und Gesundheit, 4. Aufl. Dez. 1991.
2. IAEO: „Tschernobyl – das wirkliche Ausmaß des Unfalls“, Kurzfassung in deutscher Sprache unter:
  www.nuklear-forum.ch.
3. Martin Volkmer: Radioaktivität und Strahlenschutz, 2004.
4. Meldung der IPPNW auf: www.ngo-online.de.
5. K. Becker: „Ursachen, Folgen und Therapie des Radiophobie-Syndroms“, atw, 49. Jg., 3/04,
  S. 177 - 180, siehe auch unter:www.buerger-fuer-technik.de.
6. Strahlenquelle Sonnenlicht von J. Bernhardt in „Strahlung im Alltag“, GSF 1991
7. Deutsche Forschungsgemeinschaft: „MAK- und BAT-Werte-Liste“, 1998 und später.
8. ”Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten“, 26. Lieferung, 1998, WILEY.
9. Ulmer Symposium „Alkohol und Krebsrisiko“, FORUM DKG (13), 1998, S. 156 - 176.
10. D. Henschler: „Krebsrisiken im Vergleich“ in: GSF Mensch + Umwelt, 8/93.
11. Tagung ”Entwicklungen im Strahlenschutz“ am 28./29.11.01 in München, Beiträge verschiedener
   Autoren.
12. Zbigniew Jaworowski: ”Radiation Risk and Ethics” in: Physics Today, 9/99, S. 24 - 29.