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Tiefe Geothermie

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Tiefe Geothermie von Dr. Ludwig Lindner vom 10.07.2009

Grundlagen der Geothermie1)

Geothermie oder Erdwärme stammt zu etwa 30-50 % aus der Restwärme aus der Zeit der Erdentstehung und zu 50 -70 % aus radioaktiven Zerfallsprozessen, die in der Erdkruste seit Millionen von Jahren Wärme erzeugt haben und auch heute noch erzeugen.

Die Temperatur im inneren Erdkern beträgt nach verschiedenen Schätzungen 4800 °C bis 7700 °C. Fast überall hat das Erdreich in 1 Kilometer Tiefe eine Temperatur von 35 °C bis 40 °C  Mit zunehmender Tiefe in der Erdkruste steigt die Temperatur an. Im Durchschnitt beträgt die Temperaturerhöhung 35 °C bis 40 °C  pro Kilometer Eindringtiefe (geothermische Tiefenstufe). Unter besonderen geologischen Bedingungen –wie in heutigen oder früheren Vulkangebieten , wie z.B. in Island – entstehen geothermische Anomalien. Hier kann die Temperatur in geringer Tiefe viele hundert Grad Celsius erreichen. Diese Wärmeenergie hat sich wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit der Gesteine und damit der geringen Wärmeabgabe an den Weltraum bis heute erhalten.

Radioaktive Zerfallsprozesse

Dieser Anteil der Geothermie geht auf den natürlichen Zerfall der im Erdkörper vorhandenen langlebigen radioaktiven Isotope wie z. B. Uran-235 (Halbwertszeit 7,04 x 108 Jahre) und Uran-238 (Halbwertszeit 4,47 x 109 Jahre) und deren radioaktive Folgeprodukte (wie z:B. auch Radon), Thorium-232 (Halbwertszeit 1,405 x 1010 Jahre) und Kalium-40 (Halbwertszeit 1,28 x 109 Jahre) zurück. Weitere radioaktive Isotope sind nicht vorhanden, da sie auf Grund der langen Erdgeschichte längst zerfallen sind.                

Wärmestrom aus dem Erdinneren

Die Wärme wird aus tieferen Teilen der Erde durch Wärmeleitung, in für die Nutzung erreichbare Tiefen transportiert.                                                              Wegen der geringen Wärmestromdichte wird bei der Geothermienutzung vorwiegend nicht die aus dem Erdinneren nachströmende Energie, sondern die in der Erdkruste gespeicherte Energie genutzt. Eine Geothermienutzung muss dabei so dimensioniert werden, dass die Auskühlung der betreffenden Erdschicht so langsam voranschreitet, dass in der Nutzungszeit der Anlage die Temperatur nur in einem Umfang absinkt, der einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlage gestattet.

Methoden der Geothermienutzung2)

Von Oberflächennaher Geothermie spricht man bis 400m Tiefe, ab 400 m Tiefe von Tiefer Geothermie.

Erdwärmekollektor: geschlossenes flächiges Leitungsnetz, in einigen Metern Tiefe im Erdboden. Nutzung : Heizung und Kühlung kleiner Gebäude. Als Wärmeträger wird Wasser eingesetzt, das im Kreis umgepumpt wird. Mit einer elektrischen Wärmepumpe können so aus 1 kWel. 4 kW Wärmeleistung beigestellt werden.

Erdwärmesonde: Geschlossenes U-Rohr in Bohrungen bis 150 m Tiefe. Nutzung : Heizung und Kühlung von Gebäuden. Als Wärmeträger wird Wasser eingesetzt, das im Kreis umgepumpt wird. Mit einer elektrischen Wärmepumpe können so aus 1 kWel. 4 kW Wärmeleistung beigestellt werden.

Tiefe Erdwärmesonde: geschlossenes Doppel U-Rohr in Bohrungen von 2000 bis 3000 m Tiefe (Temperatur 80 -120 °C)  Nutzung: Wärme für Industrie, Großbauten, Schwimmbäder und Nahwärmenetze.

Hydrogeothermie: Brunnen in tiefen Thermalwasserhorizonten. Nutzung: Wärme für Industrie, Großbauten, Schwimmbäder und Nahwärmenetze sowie Stromerzeugung. Hier wird in geologisch günstigen Gebieten heißes Thermalwasser (aus Heißwasser-Aquiferen) hochgepumpt und in eine Wärmenetz abgegeben bzw. über einen Wärmetauscher zur Dampferzeugung genutzt.  Das abgekühlte Thermalwasser wird dann über eine separate Leitung in das unterirdische Thermalwassersystem zurückgegeben, natürlich in genügendem Abstand zur Förderleitung. Beispiel: Unterhaching. 3)

Hot-Dry Rock-Verfahren (HDR): Wärmeaustauschersystem in heißen und tiefen Gesteins-schichten. Nutzung: Stromerzeugung sowie Wärmegewinnung für Industrie, Großbauten, Schwimmbäder und Nah- und Fernwärmenetze.
Bei diesem Verfahren werden mit hohem Druck große Wasservolumina in Tiefbohrungen verpresst. Auf diese Weise werden großflächige Risse erzeugt oder vorhandene Rissflächen hydraulisch aufgeweitet. Diese Risse werden als Wärmeaustauscherflächen genutzt, in denen das Wasser zum Entzug der Gesteinswärme dient. Über eine Entnahmeleitung wird dann das heiße Wasser an die Erdoberfläche zurückgeholt. Um eine hinreichend lange Nutzungsdauer dieser HDR-Systeme zu garantieren, müssen die Rissflächen mehrere Quadratkilometer groß sein und die Bohrlochabstände 1 km oder mehr betragen. Beispiel: Soultz sous Forêts im Elsaß, nörlich von Straßburg.4)

Technische Realisierungen von Tiefengeothermie-Projekten in Deutschland

Aus geologischer Sicht sind folgende Gebiete für die Hydrogeothermie (Heißwasser-Aquifere) und für das Hot-Dry Rockverfahren geeignet4):

  • Norddeutsches Becken              Rotliegend-Sandsteine
  • Oberrheingraben                  Muschelkalk
  • Oberrheingraben                  Buntsandstein
  • Süddeutsches Melassebecken         Malmkarst

Als erste geothemische Stromerzeugungsanlage in Deutschland ging 2004 in Neustadt-Glewe (Norddeutsches Becken, Mecklenburg, südöstlich von Schwerin) eine Anlage mit einer installierten Leistung von 230 kWel in Betrieb. Beginn der 1. Bohraktivitäten bereits 1988.5)

Das Thermalwasser (110 m3/h)steigt auf Grund des unterirdischen Überdrucks aus 2.300 m Tiefe unter die Erdoberfläche. Eine in 260 m Tiefe hängende Unterwasserpumpe fördert das Wasser nach oben und drückt es nach Reinigung oberirdisch durch Titanwärmeaustauscher, wo es die Wärme an den Wärmekreislauf bzw. an den Turbinen-Kreislauf (ORC-Prozes Organic Rankine Cycle – synthetischer organischer Stoff, der bei 30oC siedet) abgibt. Der Rücktransport des abgekühlten Thermalwassers erfolgt über unterirdische Leitungen durch eine Injektionsbohrung in die Sandsteinschicht.

Das größte Erdwärme-Kraftwerk in Deutschland wird in Unterhaching bei München (nordalpines Molassebecken) zur Strom- und Wärmeerzeugung betrieben. Das Wasser wird aus einer Tiefe von 3.500 m hochgepumpt mit einer Temperatur von 122 bis 133 0C. Dabei kommt in Deutschland die Kalina-Technik zum Einsatz mit „mäßigem Wirkungsgrad“. Das heiße Wasser erwärmt dabei ein Gemisch aus Ammoniak und Wasser, das bereits bei relativ niedrigen Temperaturen Dampf erzeugt. Die Anlage ist auf 3,4 MWel ausgelegt, die Wärmeversorgung war bereits im Herbst 2007 gestartet, inzwischen wird 1/3 der Haushalte der Region damit versorgt.1,6)

Ein weiteres Kalina-Projekt wurde im Frühjahr 2005 bei Offenbach in der Südpfalz in Angriff genommen. Aus einer Bohrtiefe von 2500 Metern will man hier hundert Liter Thermalwasser pro Sekunde mit einer Temperatur von 150 Grad fördern und in eine elektrische Leistung von 4,8 MW umsetzen. Wie in Unterhaching handelt es sich um ein Forschungsprojekt, das zur Hälfte staatlich finanziert wird. Es soll den grundsätzlichen Nachweis erbringen, daß im Oberrheintalgraben eine wirtschaftlich günstige geothermische Stromerzeugung aus Thermalwasser führenden Gesteinsschichten (Aquiferen) möglich ist. Eine Nutzung des Thermalwassers für die Fernwärmeversorgung ist in diesem Fall nicht vorgesehen 7)

In Landau/Pfalz arbeitet seit 2007 eine Anlage mit der ORC-Technik (Organic Rankine Cycle, mit einer Leistung von 2,5 MWel. Aus einer Tiefe von 3300 Metern stammt das 160 Grad heiße Wasser, das über eine Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Über einen Wärmetauscher gibt es seine Wärme ab und treibt Turbinen an, mit denen Strom erzeugt wird. Die Restwärme des dann noch 70 bis 90 Grad heißen Wassers wird in einem zweiten Schritt für die Versorgung mit Fernwärme genutzt. Das ausgekühlte Wasser fließt über eine zweite Bohrung wieder in die ursprünglichen Gesteinsschichten zurück. 20 Mill. € kostete das Projekt.Laut Bundesumweltamt sollte die Einspeisevergütung für Erdwärme-Strom auf 16Cts/kWh erhöht werden, um einen Investitionsanreiz für weitere Geothermie-Kraftwerke zu geben. 8,9)

Auf der anderen Rheinseite in Soultz sous Forêts im Elsaß sind in 5.000 m
Tiefe Risse und Spalten im 2000C heißem Granit vorhanden bzw .durch Wasserinjektion erweitert worden. (Hot Dry Rock Verfahren) Diese Gegend ist für die Geothermie besonders begünstigt, weil hier in 1.000 m Tiefe 1000C vorliegen, während sonst normalerweise nur 40 0C vorliegen. Durch 2 abgelenkte Rohre werden jeweils 50 kg/s Wasser aus der Tiefe gefördert mit einer Temperatur von etwa 175 0C. Nach der Wärmeabgabe werden die insgesamt 100 kg/s Wasser mit einer Temperatur von ca. 70 0C wieder in die Tiefe zurückgefördert. Der Abstand zwischen dem Rückspeiserohr und den Förderrohren beträgt jeweils 600 m. Problematisch ist es, dass die Tiefenwässer korrosiv sind, sie enthalten 100 g/l Salze und zudem Gase, vor allem Stickstoff und CO2.
Das durch den geologischen Wärmetauscher zirkulierende Wasser wird oberirdisch in Röhrenwärmetauschern auf ein organisches Arbeitsmedium (hier Isobutan) übertragen und in einem Kraftwerk mit spezieller Technologie (ORC- Organic Rankine Kreisprozess) zur Stromerzeugung genutzt. Mit diesem ORC-Prozess lässt sich auch Wärme auf vergleichsweise niedrigem Temperaturniveau (>90 0C). verarbeiten.
Das Volumen des geologischen Wärmetauschers beträgt bis 2-3 km3 , die geförderte Wärme beträgt 13 MWth, , die Netto-Stromleistung 1,5 MW, der Bedarf an Eigenleistung 0,6 MW.
Die geologische Wärmeressource würde einen Kraftwerksbetrieb über mehrere Jahrzehnte ermöglichen.
Das Projekt wurde mit 80 Mill.€ gefördert, von der EU, Frankreich und Deutschland. Forscherteams aus vielen Ländern haben sich an dem Projekt beteiligt.10)
In Deutschland sind mehr als 150 Projekte der Tiefengeothermie in der Planung. Eine Übersicht über einige Projekte ist bei Wikipedia zu ersehen.1)
Es gab aber auch einige Rückschläge: ein Projekt in Offenbach an der Queich wurde wegen Bohrlochinstabilität gestoppt, ein Vorhaben in Bad Urach wurde wegen technischer Probleme stillgelegt. In Ulm bei einer Anlage zur Schwimmbadbeheizung verstopfte sich das Bohrloch. In Basel wurde ein Projekt mit einer Tiefbohrung von 5.000m eingestellt, weil ein Beben eintrat. Bei der tiefen Geothermie ist mitgeführter Steinstaub aus der Tiefe ein häufiges Problem.
Probleme gab es auch bei der Oberflächen-Geothermie in Staufen/Südbaden : Im September 2007 begann eine Spezialfirma 7 Löcher in die Erde 135 m tief zu bohren. Mit Hilfe der Oberflächengeothermie sollte das Rathaus und das Grundbuchamt im Sommer gekühlt, im Winter geheizt werden. Jetzt hebt sich der Boden in Staufen um 1 cm im Monat. Betroffen ist besonders das Rathaus. Ursache: in 120 m Tiefe ist eine Schicht aus Anhydrit (CaSO4) angebohrt worden. Beim Kontakt mit Wasser bildet sich Gips (CaSO4 * 2 H20) unter 60 %iger Volumenvergrößerung. Rund um das Rathaus hat sich die Altstadt schon um 14 cm gehoben. Dem Druck halten Ziegel und Wände der Häuser nicht stand. 167 Wohngebäude und Häuser sind betroffen.11)

Geothermie im Ausland und weltweit

Weltweit gibt es mittlerweile 250 geothermische Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 8.000 – 9.000 MW , was etwa der Leistung von 9 Kernkraftwerken entspricht. Der größte geothermische Kraftwerkskomplex ist „The Gyers“ in Kalifornien USA mit einer Leistung von 750 MW. 12)
In Europa ist besonders Island mit mehr als 53 % der Energieversorgung mit Geothermie erwähnenswert. Weitere Länder mit großer Anwendung der Geothermie sind China, Schweden, USA, und die Türkei. Weltweit gibt es 28.000 MW Geothermie, der Ausnutzungsgrad liegt bei etwa 30 %.1)

Versuch einer Prognose für die Geothermie in Deutschland4)

Der Ausbau der Geothermischen Energienutzung ist hauptsächlich für die Stromproduktion von Intersse. Die besten Bedingungen für den Aufbau einer geothermischen Kraftwerkskapazität hat der Oberrheingraben aufgrund seiner geologischen Struktur, der sowohl über ausreichend temperierte Heißwasser-Aquifere als auch über die am leichtesten erschließbaren Kristallinvorkommen verfügt. Der Aufbau einer geothermischen Stromerzeugung mit einer Größenordnung von 1.000 MW innerhalb der nächsten 15 Jahre
Erscheint ein ehrgeiziges, aber nicht unrealistisches Ziel.
Dennoch darf man zwei Probleme bei der tiefen Geothermie nicht außer acht lassen.

  1. Die tiefe Geothermie ist keine unerschöpfliche Energiequelle.Sie kommt irgendwann zum Erliegen, weil es mit dem Austrag der Wärme in der Tiefe kälter wird. Wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit des Gesteins kann die Wärme aber nicht so schnell aus noch größerer Tiefe nachfließen.
  2. Wenn das mineralhaltige Tiefenwasser nach oben steigt und es sich dabei zwangsläufig etwas abkühlt, können Mineralien ausfallen. Das kann zu Bohrlochverstopfungen und auch zu Verstopfungen der sonstigen Rohrleitungen und Apparate führen.

Bisher ist die tiefe Geothermie noch ein riskantes Unternehmen. Die Stromerzeugung ist sehr teuer und wird durch das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) subventioniert. Daher ist es sinnvoll, das Verfahren zunächst an ein oder zwei Projekten über viele Jahre zu erproben. Nur bei Wirtschaftlichkeit sollte in größerem Stil weiter gemacht werden.

Literatur:

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Geothermie
  2. Ruhr-Uni Bochum: www.prometheus-rub.com
  3. http://www.geothermie-unterhaching.de/cms/geothermie/geothermie_web.nsf/id/pa_verfahren_nutzung.html    WAS IST GEOTHERMIE? | VERFAHREN UND NUTZUNG
  4. R.Jung, Stand und Aussichten der Tiefengeothermie in Deutschland, Erdöl, Erdgas , Kohle 123.Jg. 2007, Heft 2, S.1 ff.
  5. http://www.erdwaerme-kraft.de unter Technik Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewe
  6. http://www.geothermie-unterhaching.de/cms/geothermie/geothermie_web.nsf/id/pa_verfahren_nutzung.html
  7. http://www.udo-leuschner.de/basiswissen/SB112-05.htm
  8. Welt 3.6.09,Erdöl Erdgas Kohle 125, 2009 S.103
  9. Geothermie Landau http://www.geox-gmbh.de/de/Aktuelle_Meldungen.asp?Id=5060
  10. http://www.soultz.net/version-en.htm
  11. FAZ 28.2.09 S. 3, Risse im Stolz der Staufener.
  12. www.um.baden-wuerttemberg.de/serviet/44287

Dr. Ludwig Lindner