Google

WWW
buerger-fuer-technik.de
 

Stellungnahme zum Energiekonzept

Home > Themen > Energie > Stellungnahme zum Energiekonzept

Stellungnahme zum Energiekonzept Ypsilanti/Scheer für Hessen
von Dr. Ludwig Lindner und Dr. Lutz Niemann vom 15.10.2008

Mit einem neuen Energiegesetz will die hessische SPD eine ideologisch ausgerichtete Energieversorgung in Hessen herbeiführen. Dafür soll das Kernkraftwerk Biblis komplett abgeschaltet und kein neues Kohlekraftwerk gebaut werden. Die restlichen Kohlekraftwerke sollen bis 2025 abgeschaltet werden und dann soll Hessen im Jahr 2025 nur noch mit Erneuerbaren Energien versorgt werden. Dafür hat die SPD einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, dem die EUROSOLAR-Landesstudie für Hessen von Dr. Scheer zugrunde liegt.

Wie nachfolgend dargestellt, ist dieses Konzept ein Fantasieprogramm und hat mit der Realität rein gar nichts zu tun.

1. Wichtigste Aussagen des Energiegesetzes

Übersichtlich zusammengefasst bei: http://www.strom-magazin.de/strommarkt/spd-hessen-zum-musterland-erneuerbarer-energien-machen_23714.html   Strom news 13.08.08

Ausführlicher Text über 37 Seiten bei: http://www.eurosolar.de/de/images/stories/pdf/Gesetz_Vorrang_EE_Synopse.pdf

Die SPD-Landtagsfraktion (Ypsilanti und Scheer) will Hessen zum Musterland der Erneuerbaren Energien machen. Scheer will mit einem "Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien" in Hessen eine Energiewende einläuten. Der Umwelt- und Energieexperte Hermann Scheer sprach im Wiesbadener Landtag bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs von einem Vorhaben mit "politischem Pilotcharakter". Das Gesetz stößt auf ein geteiltes Echo.

Das Gesetz sehe Änderungen in sechs Landesgesetzen vor, sagte Scheer. So soll etwa die kommunale Selbstverwaltung beim Ausbau erneuerbarer Energien gestärkt werden, damit die Kommunen "nicht mehr willkürlich durch landespolitische Restriktionen" daran gehindert würden. Rund 1,5 % der hessischen Landesfläche sollen so zu Vorrangflächen für die Nutzung erneuerbarer Energien ausgewiesen werden. Ausschlussgebiete, wie sie derzeit laut Scheer zuhauf existieren, werde es nach dem neuen Gesetz nicht mehr geben.

Viel Wirbel um Windräder

Streitpunkt: Windräder auch in Naturschutzgebieten?

Das SPD-Gesetz will auch die pauschale Höhenbegrenzung von Windkraftanlagen kippen. Künftig solle jede Kommune selbst festlegen können, wie hoch Windräder sein dürfen, sagte Scheer. Auch die Landesbauordnung solle geändert werden, so dass kommunale Vorhaben wie die Marburger Solarsatzung rechtlich abgesichert seien, betonte der SPD-Politiker. Für Streitfälle soll eine Clearingstelle eingerichtet werden, um Streitfälle bei erneuerbaren Energien möglichst außergerichtlich zu lösen.

Medienberichte, wonach künftig gezielt in Naturschutzgebieten Windkraftanlagen aufgestellt werden sollen, wies der SPD-Politiker zurück. Es sei aber richtig, dass dem Gesetzentwurf zufolge auch in Naturschutzgebieten Anlagen für erneuerbare Energien gebaut werden können. Damit trage man der Erkenntnis Rechnung, dass Windkraft- und Solaranlagen "durch ihre positiven Klimaeffekte" in erheblichem Maße zum Natur- und Landschaftsschutz beitrügen.

FDP spricht von "Gängelung"

FDP-Umweltexperte Heinrich Heidel bezeichnete den Gesetzentwurf als "ideologische Zwangsbeglückung". Die Vorschläge hätten nichts mit der Förderung erneuerbarer Energien zu tun, sondern würden "in ihrer Konsequenz als Gängelung" für die hessischen Bürger wirken.

Basis für das vorgesehene Energiegesetz in Hessen ist die EUROSOLAR-Landesstudie für Hessen.

2. Aussagen der EUROSOLAR-Landesstudie für Hessen

http://www.eurosolar.de/de/index.php?option=com_content&task=view&id=823&Itemid=213

1.Situation der Stromversorgung in Hessen 2007.
Hessen hat gegenwärtig einen Stromverbrauch von 35 Mrd. kWh pro Jahr.
Der heutige Stromverbrauch Hessens setzt sich zusammen zu 43 % aus Atomstrom, 31,5 % aus Kohlestrom und zu 5,4 % aus erneuerbaren Energien, die in Hessen selbst produziert werden. Weitere 20 % des Strombedarfs werden importiert, davon sind ca. 3 % aus erneuerbaren Energien.

2. Geplante Situation in Hessen 2013
Beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien auf 65 % und voller Ersatz des Kernkraftwerkes Biblis und Verzicht auf ein neues Kohlekraftwerk in Großkrotzenburg bei Hanau.

3. Geplante Situation in Hessen 2025
Der Strombedarf wird wahrscheinlich bis 2025 bei 28 Mrd. kWh stehen.

Nach dem heutigen Stand der Technik würde der hessische Energiemix im Jahr 2025 ausschließlich aus erneuerbaren Energien bestehen: 35 % Windkraft, 28 % Biostrom, 22 % Solarstrom, 10 % geothermische Energie und 5 % Wasserkraft.

3. Stellungnahme zu den Aussagen der EUROSOLAR-Landesstudie für Hessen im Jahr 2025 aus technischer Sicht.

Im Nachfolgenden wird nur die Langfristbetrachtung im Jahr 2025 durchgeführt.

1. Strombedarf 2025
Die Abnahme des Strombedarfes von heute bis 2025 von 35 auf 28 Mrd. kWh/Jahr = Reduzierung des Strombedarfes um 20 % bis 2025 ist unrealistisch:

Der Stromverbrauch in Deutschland ist von 1990 bis 2007 von 550,7 auf 617,5 Mrd. kWh angestiegen, im Jahr 2000 waren es 579,6 Mrd. kWh (Statistische Bundesamt und BDEW 8.2.08). Dabei ist der Stromverbrauch in den 4 Jahren 1990 bis 1993 zunächst um gut 6% gefallen, verursacht durch den Zusammenbruch der Wirtschaft in den neuen Bundesländern mit dem Ergebnis von 20% Arbeitslosigkeit.

Eine Absenkung des Stromverbrauchs in Hessen könnte nur erfolgen, wenn die gesamte Wirtschaft des Landes zerschlagen wird. Massive Arbeitslosigkeit und Abgleiten in wirtschaftliches Elend wären die Folge.

Eine wesentliche Stromeinsparung durch Reduzierung von Energiesparlampen und Abbau von Stand-by-Schaltungen ist unrealistisch. Es wird vielmehr eher kompensiert durch den verstärkten Einsatz von Elektro-Autos und stärkeren Einsatz von Computern und Daten-Verarbeitung.

2. Windkraft im Jahr 2025:
35 % von 28 Mrd. kWh/Jahr = 9.8 Mrd. kWh/Jahr.

Eine Windkraftanlage (WKA) mit 2 MW Leistung produziert bei der mittleren Jahresverfügbarkeit von etwa 1.200 Stunden für Windkraftanlagen in Hessen 2,4 Mill. kWh. Für die 9.8 Mrd. kWh/Jahr sind 4.100 WKA erforderlich, bei 5 MW-Anlagen wären es 1.600 WKA, realistisch dürfte der Mittelwert sein, d.h. 2.300 Windkraftanlagen mit 3,5 MW bis 2025.

3. Biostrom 2025:
28 % von 28 Mrd./kWh/Jahr = 7,8 Mrd. kWh/Jahr. Dies wären bei Dauerlast über das ganze Jahr etwa 900 MW. Mit einer Mais-Mono-Kultur und einem angenommenen Ertrag von 2 kW/ha an elektrischer Dauerleistung würde dies einer Mais-Anbaufläche von 4.500 km
2 entsprechen.

Die Gesamtfläche von Hessen beträgt etwa 21.000 km2, damit würden 21 % der Gesamtfläche von Hessen für die Biomasseerzeugung für die Stromerzeugung erforderlich sein (also fast die gesamte Ackerfläche Hessens, die 25% des Landes ausmacht). Wegen der Ernte im Herbst müssten für das ganze Jahr entsprechende Vorräte angelegt werden. Das ist insgesamt unrealistisch. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Biomasse auch für die Erzeugung von Biokraftstoffen für den Straßenverkehr genutzt werden soll. Da werden Technologien doppelt verkauft.

4. Solarstrom 2025:
22 % von 28 Mrd. kWh/Jahr = 6,2 Mrd. kWh/Jahr.

Eine große Solarstromanlage mit 1 MW Leistung liefert bei der mittleren Volllaststundenzahl von 900 Stunden 0,9 Mill. kWh. Für die 6,2 Mrd. kWh pro Jahr sind 6.900 Solarfelder mit 1 MW erforderlich. Das entspricht einer Modulfläche von 7000 ha = 70 km2 und einer Freilandaufstel- lungsfläche von etwa 200 km2., das ist 1% der Fläche von Hessen.

www.buerger-fuer-technik.de/body_solarstrom_fur_deutschland.html

5. Geothermische Energie 2025:
10 % von
28 Mrd. kWh/Jahr = 2,8 Mrd. kWh/Jahr. Dafür wären rund 110 Geothermieanlagen à 3 MW erforderlich bei Volllasttrieb über das ganze Jahr.
Diese Behauptung ist sehr kühn. Bisher sind nur wenige große Anlagen in Betrieb, wie z.B. in Soultz-sous-Forêts im Elsass nach 10 Jahren Versuchen mit 2,1 MW elektrischer Leistung, Landau mit ca. 2,5 MW elektrischer Leistung und Unterhaching mit 3,4 MW elektrischer Leistung. Für Hessen wird aktuell nur Riedstadt mit ca. 3 MW elektrischer Leistung, Inbetriebnahme 2008 angegeben. Etliche Projekte wurden wegen Bohrlochinstabilität oder Problemen beim Einbringen des Bohrlochs u.ä. aufgegeben. http://de.wikipedia.org/wiki/Geothermie#Stromerzeugung_2 .

In Hessen besteht nur im Oberrheingraben ein Potential für die Geothermie. Zur Gewinnung von 3 MW Strom und 5 MW thermischer Energie müssten 50-100 l Wasser/sec aus etwa 2.300 bis 2.500 m Tiefe mit einer Temperatur von 1400 C gefördert werden. http://www.hlug.de/medien/geologie/dokumente/erdwaerme/geothermie_web.pdf

6. Wasserkraft 2025:
5 % von 28 Mrd. kWh = 1,4 Mrd. kWh/Jahr Das wären 160 MW Wasserkraftanlagen im Dauerbetrieb. . Auch diese Aussage erscheint zweifelhaft, weil Hessen nur bedingt Wasserkraftwerke betreiben kann mangels ausreichender Gebirge. Die Möglichkeiten neuer Wasserkraftwerke sind generell in Deutschland weitgehend ausgeschöpft.

Zusammenfassung:

Das gesamte Konzept der EUROSolar-Landesstudie für Hessen ist nicht realistisch. Die Stromerzeugung des wetterabhängigen Wind- und Solarstroms ist ungesichert und nicht planbar. Für die Ausfallzeiten des Windstroms von 85 % des Jahres und 90 % für Solarstrom muss Strom aus anderen Quellen beigestellt werden, denn Verbraucher und Industrie brauchen den Strom nach Bedarf. Heute ist das mit Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken möglich. Wenn dies zukünftig entfallen soll, dann müsste Strom aus Biomasse oder aus Pumpspeicher-Kraftwerken zur massiven Unterstützung des wetterabhängigen Wind- und Solarstroms , wie z. B. Waldeck I und II in Hessen, beigestellt werden. Das ist nicht möglich. Wie oben gezeigt, kann Biomasse diese Rolle bei weitem nicht übernehmen. Pump-Speicher-Kraftwerke können in Deutschland kaum noch gebaut werden, weil dies immer enorme Eingriffe in die Natur bedeutet (ein großer Speichersee auf dem Berg und ein weiterer See im Tal).

4. Kostenbetrachtung der EUROSOLAR-Landesstudie für Hessen im Jahr 2025

Die Investitionskosten für das Gesamtkonzept beläuft sich auf etwa 30 Mrd. €. Das entspricht dem Jahresbudget von Hessen.

Die Betriebskosten für die Volkswirtschaft ergeben sich durch Vergleich der Vergütungen nach dem Erneuerbaren Energie-Gesetz (EEG) ab 1.1.2009 (siehe unten1))und dem verdrängten kostengünstigen Strom (Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle ca. 3 cts/kWh).

 

Vergütung

Strom

Menge

Kostenbelastung

nach EEG
(cts./kWh) 1)

2025
Mrd.kWh/Jahr

Mill. €/Jahr 2)

Windstrom

ca. 9

9,8

ca. 600

Solarstrom

ca. 30

6,2

ca. 1.700

Biomasse

ca. 10

7,8

ca. 550

Summe

 

 

ca. 3 Mrd. €/Jahr

Allein diese drei Punkte ergeben für jeden der ca. 6 Mill. Bürger Hessens eine bis 2025 ansteigende Zusatzbelastung auf ca. 500 EURO pro Jahr, Ausstieg aus der Lebensmittelerzeugung von Hessens Landwirtschaft, und dennoch keine gesicherte Stromversorgung nach Bedarf. Das Programm von EUROSOLAR-Präsident Hermann Scheer ist ein Fantasieprogramm und hat mit der Realität rein gar nichts zu tun.

 1) Wegen der komplizierten neuen Gesetzeslage des EEG sind dies nur Richtwerte.

http://www.eeg-aktuell.de/fileadmin/user_upload/Downloads_Politik/bmu_eeg2009_konsolidiert.pdf

2)Jährliche Kostenbelastung ansteigend bis zum Jahr 2025 auf die angegebenen Werte

Dr. Ludwig Lindner