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Die Sache mit der Grundlast Dr. Willy Marth , Karlsruhe, 07.12.2008
In der Energiediskussion geht seit Jahren vieles durcheinander. Die Annahme, man könne im Laufe der nächsten 10-12 Jahre alle deutschen Kernkraftwerke stilllegen und durch erneuerbare Energie, insbesondere Windstrom ersetzen, hält sich hartnäckig. Dies ist ein bedauerliches Missverständnis, denn es trägt nicht den Bedürfnissen der Grundlastversorgung Rechnung.
Was ist die elektrische Grundlast? Es ist diejenige Netzbelastung, die während eines 24-Stunden-Tages im Stromnetz nicht unterschritten wird. Die Schweizer bezeichnen sie sehr anschaulich als "Band-Energie". Da der niedrigste Stromverbrauch meist nachts auftritt, wird die Grundlast bestimmt von Industrieanlagen, die nachts produzieren, von der Straßenbeleuchtung sowie von den Dauerverbrauchern in Gewerbe und Haushalt, z.B. den Kühlschränken. Die Stromschwankungen im Tagesverlauf bezeichnet man als Mittellast; aussergewöhnliche Verbrauchsspitzen stellen die Spitzenlast dar.
Ca. 60% des Stroms in den elektrischen Netzen ist Grundlaststrom. Er wird zur Hälfte (50%) von den Kernkraftwerken erzeugt, 44% liefern die Braunkohlekraftwerke und die restlichen 6% steuern die Laufwasserkraftwerke an den Flüssen bei. Die zentrale Frage ist: "Kann man bis zum Jahr 2020 diese Kernkraftwerke abschalten und den fehlenden Atomstrom aus regenerativen Anlagen (Windräder, Solaranlagen) ersetzen"? Die Sonnenfreunde werden mit einem freudig schallenden "Ja" antworten, ich setze ein bedächtiges "Nein" dagegen und will es erläutern.
Im Kern liegt meine Skepsis darin begründet, dass man Kraftwerke nur durch gleichartige Kraftwerke ersetzen kann. Grundlastkraftwerke (Atom, Braunkohle, Laufwasser) kann man nur durch Grundlastkraftwerke ersetzen; Mittellastkraftwerke (z.B. Gas, Steinkohle) und Spitzenlastkraftwerke (z.B. Pumpspeicherkraftwerke) muss man durch Mittellast- bzw. Spitzenlastkraftwerke ersetzen. Die deutschen Kernkraftwerke sind "Dauerläufer", welche normalerweise 8.000 und mehr Stunden pro Jahr mit nomineller Leistung (z.B. 1.200 MW) in Betrieb sind. Windräder schalten gewöhnlich mehrmals am Tag (ungeplant) ab und von Solarmoduls brauchen wir gar nicht erst zu reden. Ihre Stromausbeute ist so gering, dass sie derzeit nur mit 0,3 % zum deutschen Stromangebot beitragen. Man sollte sie, angesichts ihrer hohen Kosten, besser als Kapitalvernichtungsmaschinen bezeichnen.
In Deutschland sind gegenwärtig Windmühlen mit einer Gesamtleistung von 21.000 MW aufgebaut. Das ist ziemlich genau die Leistung der abzuschaltenden Kernkraftwerke. Aber die Leistung der Windräder steht nur auf dem Papier. Die wirklich ins Netz eingespeiste Leistung ist gerade mal 10 % der installierten Leistung! Und an dieser unsteten Stromlieferung wird sich auch in Zukunft nichts ändern, denn der Wind weht nun mal wie er will. So lieferten beispielsweise die Windmühlen im Oktober 2007 gerade mal an 2 Tagen über wenige Stunden etwa ein Drittel der nominellen Leistung, an weiteren 2 Tagen knapp ein Fünftel. Obwohl der darauf folgende November sehr windreich war, gab es Tage, an denen die Windradleistungen drastisch abfielen. Noch schlechter sah es zum Jahreswechsel 2007/2008 aus: wegen der grossräumigen Inversionslage tendierte die Netzeinspeisung gegen Null.
Trotzdem gingen die Lichter nicht aus, weil konventionelle Kraftwerke bereit standen, um dieses Windmanko auszugleichen. Dabei müssen Steinkohlekraftwerke, selbst bei hoher Windeinspeisung, ständig mit gedrosselter Leistung - d.h. mit schlechtem Wirkungsgrad - parat stehen, um bei Windflauten hochgefahren zu werden.
Und diese sinnlose Förderung des Windstroms soll weiter gehen. Nach den Vorgaben der Bundesregierung sollen im Jahr 2020 über 30.000 MW an installierten Windrädern bereit stehen, eine Reihe davon (unerprobt) off-shore in der Nordsee. Aber selbst wenn BMU Gabriel auf 100.000 MW zielen würde, das grundsätzliche Problem der unzuverlässigen Stromlieferung könnte er damit nicht beseitigen. Im Gegenteil, immer drängender wird der Bau neuer Stromtrassen von der Küste zu den industriellen Großverbrauchern im Westen und Süden - bei der gegenwärtigen Genehmigungspraxis eine Aufgabe für Jahrzehnte. Da es den Energieversorgungsunternehmen (EVU) gestattet ist, alle Kosten der erneuerbaren Energieerzeugung auf die Stromverbraucher umzulegen, darf man sich auf jährlich steigende Stromrechnungen gefasst machen.
Zusammenfassend muss man leider sagen, dass die deutsche Energiepolitik seit 10 Jahren von einer Schar von Ideologen und Laienspielern bestimmt wird. Mit der Ersatzreligion "Klimakatastrophe" haben sich unsere Politiker in eine ausweglose Falle manövriert. Wird am Atomausstieg festgehalten, so sind die EVU gezwungen Strom aus französischen und tschechischen (!) Kernkraftwerken zu importieren. Und wir Endkunden dürfen uns auf unablässig steigende Preise einstellen.
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