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Leserbrief Zwölf falsche Behauptungen über die Atomenergie von Dr. Ludwig Lindner, FAZ 14.08.2009
Zu “Die Realitäten der Atomenergie” (FAZ vom 16. Juli): Die von Jürgen Trittin dargestellten Realitäten der Atomenergie sind in vielen Punkten falsch, unsachlich oder überzogen. Behauptung: Kein Kernkraftwerk ist vor einem Super-GAU sicher. Trittin hat sich offenbar nicht ausreichend mit den Mehrfachabsicherungen der deutschen Kernkraftwerke befasst. Der häufig geäußerte Hinweis auf Tschernobyl zieht bei deutschen Kernkraftwerken nicht. Zweite Behauptung: Fast nirgends ist die Entsorgung gelöst. In Deutschland könnte dies längst erledigt sein, wenn Trittin und Gabriel die Weitererkundung von Gorleben nicht seit Jahren sabotiert hätten. In der Vereinbarung vom 14. Juni 2000 steht, dass bisher nichts gegen die Eignung von Gorleben spricht. Das hat die rot-grüne Bundesregierung mit dem damaligen Umweltminister Trittin unterschrieben. Die ganze Welt beneidet uns um unsere Salzstöcke. Dritte Behauptung: Der Ausbau erneuerbarer Energien kommt viel schneller voran als gedacht: Möglich macht es das von Trittin durchgesetzte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die unwirtschaftlichen Stromvergütungen für Wind- und Solarstrom bezahlen wir als Bürger über den Strompreis. Das ist eine massive Subvention. Mit solchen Subventionen könnte man auch Ananas am Nordpol anbauen. Vierte Behauptung: Die Regierung veranschlagt die bisher geflossenen staatlichen Subventionen für die Atomwirtschaft auf 30 Milliarden Euro. Jede neue Technologie braucht Anschubfinanzierung. In den vergangenen acht Jahren sind fast 22 Milliarden Euro in die Solarstromerzeugung geflossen und rund 30 Milliarden Euro in die Förderung der Windenergie. Während jetzt mit der Kernkraft echtes Geld verdient wird, werden die erneuerbaren Energien weiter subventioniert. Fünfte Behauptung: Die ältesten laufenden Atomkraftwerke kommen im Laufe ihres Betriebes je auf 400 Störfälle. Das sind nach der internationalen Ines-Skala meldepflichtige Ereignisse, keine Störfälle. Alle kleinsten Vorfälle müssen gemeldet werden, wie der Ausfall einer Pumpe. Sechste Behauptung: Die Energieversorger haben die Vereinbarung zum Atomausstieg nicht in einer Art Blackout, sondern auf Basis einer nüchternen Kalkulation unterschrieben. Falsch! Das war damals fast eine Erpressung der rot-grünen Bundesregierung. Die EVUs erwarteten damals mit der Zustimmung zum Atomausstieg eine Beruhigung der Situation. Siebte Behauptung: Die ältesten sieben deutschen Atomkraftwerke sind schlecht ausgerüstet, so dass es bei einem Absturz eines Verkehrsflugzeuges auf das Kraftwerk zu einer Freisetzung von Radioaktivität kommen würde. Wenn das stimmt, dann gilt das erst recht für die mehr als hundert Atomkraftwerke rundherum um Deutschland. Aber nur in Deutschland wird das Spiel mit der Angst getrieben. Achte Behauptung: In der EU-27 ist die Zahl der Atomkraftwerke rückläufig. Waren 1988 noch 177 Anlagen in Betrieb, so sind es heute nur 145 Anlagen. Diese Aussage ist unseriös. 1988 gab es die EU-27 noch nicht, damals existierte noch der Ostblock. Dort wurden Kernkraftwerke stillgelegt wegen der zusammengebrochenen Infrastruktur. Neunte Behauptung: Statt der vereinbarten drei Milliarden Euro wird das neue Kernkraftwerk in Finnland 4.5 Milliarden Euro kosten. Das ist für die Offshore-Windanlagen ähnlich. Deren Strom wurde zunächst mit Erzeugungskosten von 10 Cent je Kilowattstunde veranschlagt, inzwischen hat die Windstromlobby durchgesetzt, dass die Vergütung 15 Cent betragen muss, um kostendeckend zu sein. Zehnte Behauptung: Gerade 2,5 Prozent der weltweit genutzten Endenergie stammen aus der Kernspaltung. Da wird mit unzutreffenden Begriffen gerechnet. Die Endenergie beinhaltet auch den Verbrauch an Wärmeenergie und den Kraftstoffverbrauch für den Verkehrssektor. Das ist ein Trittin’scher Taschenspielertrick. Man muss hier die Stromproduktion betrachten, diese beträgt weltweit 12 Prozent aus Kernenergie. Elfte Behauptung: Die erneuerbaren Energien kosten die Bevölkerung 1,50 Euro pro Person und Monat. Das wären 72 Euro pro Jahr für einen Vier-Personen-Haushalt. Diese Zahl ist viel zu niedrig. Für einen Vier-Personen-Haushalt liegt sie heute bei 500 Euro pro Jahr mit steigender Tendenz bei weiterem Ausbau des Solarstroms. Zwölfte Behauptung: Die Grundlast sei bereits erneuerbar. Der Strom, der zuerst eingespeist werde, sei aus erneuerbaren Energie. Dies ist eine falsche Argumentation. Grundlast heißt: Dies ist Strom, der immer verfügbar ist. Wind- und Solarstrom sind wetterabhängig und nicht kalkulierbar.
Dr Ludwig Lindner
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