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Leserbrief Tricastin Uranfreisetzung

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Leserbrief Tricastin Uranfreisetzung von Prof. Dr. Wolfgang Stoll vom 10.07.2008
 an die FAZ

Sehr geehrte Herausgeber,
Ich beziehe mich auf den Artikel: “Vorwürfe gegen Frankreichs Atomaufsicht“ auf S. 5 von heute.

Der Bilduntertitel “Bekanntes Risiko, das Kernkraftwerk Tricastin“, bezeichnet die vier 900 MWe-Blöcke des dortigen Kernkraftwerkes, die typengleich an mehr als zwei Dutzend Standorten überall in Frankreich, u. a. auch auf der anderen Rheinseite des einst so wütend bekämpften Standortes Whyl am Kaiserstuhl, seit mehr als 30 Jahren recht brauchbar funktionieren.

Die Reaktoren von Tricastin wurden u. a. zur Stromversorgung der Anreicherungsanlage in Pierrelatte (nach dem durch einen antinuklear-politischen Mordanschlag getöteten Chef des CEA, George Besse benannt) erbaut.

Mit Pierrrelatte haben sie also keinen direkten funktionalen Zusammenhang. Es handelt sich bei Pierrelatte auch nicht um die zweitgrößte Anreicherungsanlage neben La Hague, sondern um die einzige und damit auch größte, denn La Hague ist eine davon ganz unterschiedliche Wiederaufarbeitungsanlage.

Der Zwischenfall hat Uranlösungen freigesetzt. Das Uran stammt aus Spülwässern der Anreicherungsanlagen in Pierrelatte. Diese enthalten überwiegend Natururan (Uran-238), allenfalls Spuren des angereicherten Uran 235 und in kleinem Umfang bei der Anreicherung des aus der Aufarbeitung wiedergewonnenen Urans auch das Isotop 236, das radiologisch keineswegs bedenklicher als Natururan ist. Daneben enthält das Gemisch höchstens in tausendstel Prozentanteilen das Uran 232, das erst nach mehreren Wochen Halbwertszeit Spuren des radiotoxischen Thallium-208 bildet.

Die Rhone ist unter den europäischen Flüssen keineswegs der sauberste. Es wird viel organische, also Sauerstoff-zehrende Fracht befördert. Das hat die Folge, dass allenfalls lösliches, 6-wertiges Uran sehr rasch in eine unlösliche 4-wertige Form überführt und mit anderen Sinkstoffen im Sediment festgelegt wird – ein Vorgang, der u. a. aus den Haldenabwässern der ostdeutschen Braunkohlenaschedeponien gut bekannt ist. Ein gesundheitsschädlicher Eintrag in den menschlichen Biozyklus ist somit sehr unwahrscheinlich.

Es würde Ihren technophoben Berichterstattern nicht schlecht anstehen, einen so massiv fehlerbehafteten Alarmismus zu unterlassen – sonst ist Ihr Blatt den hohen Preis nicht wert.

Mit freundlichen Grüßen!
Prof. Dr. Wolfgang Stoll, Hanau