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Leserbrief Ökologisch auf dem Holzweg

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veröffentlicht 08.06.2011

Christoph Barthe, Hamburg

Leserbrief Ökologisch auf dem Holzweg, FAZ 19.05.2011

In dem Bericht “Eine energiepolitische Erweckung” (FAZ vom 16. Mai) über die Bundestagung des evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU wird der fundamentale Irrtum deutlich, dem die energiepolitische Diskussion in Deutschland unterliegt. Es geht in der Frage der Atomkraft eben gerade nicht um den “Widerspruch von wirtschaftlichen Sachzwängen und ökologischen Zielvorgaben”, wie die Bundeskanzlerin meint, sondern es geht schlicht um den Konflikt zwischen politischer Kurzsichtigkeit und Weitsicht.

Derzeit wird die öffentliche Meinung vom Reaktorunfall in Fukushima beherrscht. Wenn der Klimaschutz wieder in den Blickpunkt rückt, wird man sich fragen, ob es wirklich eine gute Idee war, aus der klimaverträglichen Kernenergie auszusteigen und in Kauf zu nehmen, dass Deutschland auf dem Weg in eine nachhaltige Energiezukunft einen Umweg nimmt, von dem heute niemand mit Sicherheit sagen kann, wie lang er wird und ob er überhaupt zum Ziel führt.

Aus Kernenergie wurde bisher mehr als die Hälfte des klimaverträglichen Stroms in Deutschland erzeugt. Das zeigt, um wie viel länger der Umweg werden könnte, der nun gegangen werden soll. Die Kohlendioxidemissionen aus der Stromerzeugung sind schon bisher kaum gesunken. Die Verminderung durch den Ausbau erneuerbarer Energien wurde durch den Zuwachs des Stromverbrauchs weitgehend neutralisiert. Durch den Atomausstieg werden die Emissionen erst einmal wieder ansteigen. Daran werden auch die zusätzlichen Windräder und Stromleitungen nichts ändern, die als Folge der “energiepolitischen Erweckung” nun gebaut werden können.

Deutschland will seine Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent senken. Neuere Veröffentlichungen des Potsdam-Insituts für Klimafolgenforschung deuten darauf hin, dass die globalen Kohlendioxidemissionen bis 2050 sogar auf null sinken müssen, um das “Zwei-Grad-Ziel” noch einzuhalten. Die Chancen, dass dies noch gelingt, waren schon vor Fukushima gering. Mit dem Beispiel, das Deutschland mit dem Atomausstieg geben will, sinken die Chancen weiter.

Was auf dem Spiel steht, ist bekannt, aber offenbar nicht hinreichend im Bewusstsein der Öffentlichkeit präsent: die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme und eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln für die wachsende Weltbevölkerung. Wer alles dies unvoreingenommen wertet, muss zu dem Schluss kommen, dass wir uns bei unseren Bemühungen um Klimaschutz Umwege nicht mehr leisten können. Das gilt auch und insbesondere für Deutschland als einen der Hauptverantwortlichen für den menschengemachten Klimawandel.