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Leserbrief Atomstromlüge

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Leserbrief zur Stellungnahme zur Frontal-Sendung ”Die Atomstromlüge“
im ZDF vom 16.09.2008 von Dr. Ludwig Lindner vom 26.09.2008
mit Ergänzungen durch Dr. Lutz Niemann

Das ist schon ein starkes Stück, was sich da Frontal an Demagogie geleistet hat. Das erinnert sehr an die Sendungen “Der schwarze Kanal“ mit Karl-Eduard von Schnitzler (“Sudel-Ede“) im DDR-Fernsehen.

Es kommen im wesentlichen nur Kernenergiegegner zu Wort wie Prof. Olav Homeyer, der mit Wirkung zum 1. Juli 2008 von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel für vier Jahre zum Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen berufen wurde und der meint, dass die Kernkraftwerke voll durch erneuerbare Energien ersetzt werden könnten siehe http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/774795/, Franz Untersteller, B90/Grüne, Energiepolitischer Sprecher, Hendrik Paulitz, Ärzteorganisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges), Hans-Josef Fell, B90/Grüne MdB, Felix Matthes, Energie-Experte Öko-Institut Berlin.

Zum Sachlichen: der Einzelnen Behauptungen von Frontal:

1. Lächerlich geringe Versicherung im Schadensfall:
Diese Aussage ist falsch
:
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Betreiber deutscher Kernkraftwerke haben sich am 14. Juni 2001 auf eine Deckungsvorsorge von 2,5 Mrd. Euro je Schadensfall verständigt.
Darüber hinaus haften die Inhaber (Betreiber) von Kernkraftwerken (KKW) unbegrenzt mit ihrem gesamten Vermögen für alle von diesen etwa verursachten Schäden.
Im Einzelnen: Die Betreiber von KKW in Deutschland haften, d. h. sie müssen Schadensersatz leisten, wenn durch deren Betrieb jemand an Leib, Leben oder Vermögen (Sachgütern) geschädigt werden sollte. Damit unterliegen sie den gleichen Grundsätzen wie jeder andere Schädiger in unserem Recht. Aber: KKW-Betreiber haften strenger, nämlich unabhängig von etwaigem Verschulden (Gefährdungshaftung), gegenüber jedermann, gleichgültig wo er wohnt, der Höhe nach unbegrenzt und mit ihrem ganzen Vermögen, erforderlichenfalls auch mit dem ihrer finanzstarken Mutterkonzerne wie RWE oder E.ON. Damit ist ihre Haftung international vorbildlich geregelt. http://www.energie-fakten.de/html-neu/recht-antworten-haupt.html

2. ungelöste Endlagerung:
Diese Aussage ist falsch
Bei seriöser Berichterstattung wäre es notwendig zu sagen, dass durch das sog. "Moratorium" die weitere Erkundung von Gorleben seit 2000 verboten ist. Die Umweltminister Trittin und Gabriel haben keine Anstrengungen unternommen, diese Untersuchungen weiter zu führen. Damit ist das Argument: Endlager ungelöst aus Sicht der Kernkraftgegner ein geeignetes Argument gegen die Kernkraft.

Frontal müsste sagen: Gabriel hat seine Hausaufgaben nicht erledigt.
Zur Auswahl von Gorleben: Der zum Zwecke der Endlagerung erforschte Salzstock Gorleben ist unverritzt (=Gebirge oder Lagerstätte ohne industrielle Vornutzung) und wurde ausschließlich zum Zweck der Endlagerung geschaffen. Gerade die Unversehrtheit war ein wichtiges Kriterium im Auswahlprozess für Gorleben. – Antworten auf Fragen von Bürgern Sept.08 http://kernenergie.de/energieverantwortung/?navanchor=1810004

Es steht in Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005 auf Seite 41 ab Zeile 2034 geschrieben:
“CDU, CSU und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorientiert an. Wir beabsichtigen in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen.“

Die Aufgabe hat Gabriel, aber wenn er nichts tut, ist es Aufgabe der Chefin, Frau Dr. Merkel, ihn zu mahnen, was bei jeder Kabinettssitzung geschehen kann. In den vergangenen 3 Jahren haben wir noch nichts dergleichen gehört.

3. WAK seit 1990 stillgelegt. Rund 60.000 Liter sog. Atomsuppe.
Die WAK wurde als Pilotanlage betrieben für den geplanten Bau der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, die im Wesentlichen durch massive und gewalttätige Proteste linker, autonomer Anti-Kernenergiegruppen nicht gebaut wurde.
Die Wiederaufbereitungsanlage der Cogema in La Hague arbeitet seit vielen Jahren nach diesem Verfahren. Weltweit sind Anlagen nach diesem Konzept in Betrieb und werden gebaut. Dabei wird das Plutonium abgetrennt, das als sog. MOX-Brennstoff (Uran+Plutonium) weltweit in Kernkraftwerken eingesetzt wird. Die abgetrennten Spaltprodukte werden in Glas eingeschmolzen, die sicherste und vernünftigste Form der Endlagerung, denn Glas ist unlöslich in Wasser.
Darüber hätte Frontal berichten müssen statt der Angstmache mit dem Wort "Atomsuppe“. Stattdessen berichtet Frontal, dass die Verglasung des radioaktiven Abfalls 2,2 Mrd. € kosten soll und dass der Bund und das Land für die WAK 1,7 Mrd. € zahlen.
Wenn man die Kosten der Endlagerung auf den gesamten damit erzeugten Strom bezieht, so ergeben sich Kosten um 0,1ct/kWh, ein vernachlässigbar kleiner Betrag, insbesondere im Vergleich mit den Kosten von Wind- und Solarstrom, die als Alternative gepriesen werden.

4. Der THTR, der Thorium-Hochtemperaturreaktor verschlingt 1,8 Mrd. €:
dieser Reaktor, eine deutsche Entwicklung, wurde damals nach Intervention des NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau stillgelegt. Neuanlagen nach dieser Technologie werden jetzt in Südafrika, China und Indien gebaut.

5. Das deutsche Institut für Wirtschaftsförderung hat nachgerechnet, dass der Bund bisher 40 Mrd. € in die Atomindustrie gesteckt hat.
Im Vergleich dazu: die Kosten der Förderung der erneuerbaren Energien die bis 2020 rund 250 Mrd. € kosten werden, wie der frühere Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller bereits im Jahr 2001 in einer Studie errechnen ließ. Das ist etwa soviel wir der gesamte Haushalt der Bundesregierung in einem Jahr.

6. Henrik Paulitz, IPPNW “Wir haben bisher 150 Sicherheitsmängel für die Anlage Biblis B nachgewiesen:
Diese Aussage ist nicht haltbar.
In Biblis wurden in Block A 65 Mill. €, in Block B 40 Mill. € für die Nachrüstungen und Modernisierung investiert. Das Sicherheitsniveau der Biblisblöcke liegt national und international auf Spitzenplätzen und erfüllt Orientierungswerte der IAEO (Internationale Atomenergie Organisation) für Neuanlagen.(atw 53. Jg. (2008) S. 276, 277),
www.buerger-fuer-technik.de , Kurzinfos 251/2.
Außerdem muss man wissen:
Die Betreiber von Kernkraftwerke müssen jedes Vorkommnis melden. Hierfür gilt die sog. INES-Skala (International Nuclear Event Scale) , die von Stufe 0 (keine oder geringe sicherheitstechnische Bedeutung), Stufe 1 (Störung) bis 7 (Katastrophaler Unfall -wie Tschernobyl) reicht. http://www.bfs.de/kerntechnik/ereignisse/ines.html
Vorkommnisse in Deutschen Kernkraftwerken wurden zu 97% der Stufe 0, höchstens der Stufe 1 zugewiesen.
Informationen zu Biblis aus dem Vortrag von Dr.J ürgen Haag am 15.05.06 in Aachen:
Die Sicherheit von Biblis A wurde bei der Prüfung durch die IAEA (International Atomic Energy Association) um 5-fach höher eingeordnet, als sie derzeit von der IAEA für Neubauten von Kernkraftwerken gefordert wird.
Für Biblis A + B gab es von 1991 – 2005 insgesamt 308 gemeldete Ereignisse. Davon wurden 301 als INES 0 eingeordnet (97,7%) und nur 7 als INES 1 (2,3%).

7. Hendrik Paulitz, IPPNW: für jede erneuerbare Energie-Anlage ist eine Haftpflichtversicherung in voller Höhe abzuschließen, für die Atomenergie nicht:

siehe hierzu Punkt 1.

8. Allein für die Endlager Asse und Morsleben hat der Staat schon 3,1 Mrd. € ausgegeben:
Asse wurde als Forschungsbergwerk konzipiert, Morsleben ist eine Hinterlassenschaft der früheren DDR.

9. Für 8 Jahre Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke würden 85 Mrd. Zusatzgewinne bei den Konzernen entstehen:
Das ist doch gut. Die Bundesregierung sollte die Laufzeitverlängerung gewähren. Der RWE-Chef Großmann hat völlig Recht: Über die Verteilung des Geldes kann man reden, wenn die gesetzliche Regelung vorliegt.
Im übrigen können Sie die Einzelposten für die Kosten der verfehlten Energiepolitik, die im wesentlichen durch Rot-Grün und deren Sympathisanten zu verantworten ist,  unter http://www.buerger-fuer-technik.de/body_kosten_der_energiepolitik.html nachlesen. 

Dr. Ludwig Lindner