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Kugelhaufenreaktortechnik

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veröffentlicht 23.01.2011

Dr.-Ing. Urban Cleve, Dortmund vom 25.10.2010

Frau
Bundesministerin Prof. Dr. Annette Schavan
BMBF
Hannoversche Str. 28 – 30
10115 Berlin

Betr.: Aktenzeichen: RS 13- 07023/II;

“Kugelhaufenreaktortechnik”. - Hochtemperaturreaktortechnologie

Schreiben des KIT an mich vom 23.08.2010;
Mein Schreiben an die Herren Bundesminister des BMU, des BMW und Sie vom 05.07.2010;

Sehr verehrte Frau Bundesministerin Prof. Dr. Annette Schavan,

das Institut für Technologie in Karlsruhe hat mich darüber informiert, daß Sie vorgeschlagen, daß das Institut mit mir Kontakt aufnehmen möge, um meine Erfahrungen auf dem Gebiet der Technologie der Hochtemperaturreaktoren dort einzubringen und zur Verfügung stellen. Ich habe dem Leiter dieses Projektes, Herrn Dr. Pitterich in einem längeren Telefongespräch gesagt, daß ich hierzu gerne bereit sein werde. Der gleiche Wunsch wurde ja bereits vor Jahresfrist von Herrn Minister a. D. Prof. Dr. Pinkwart an mich gerichtet, dem ich auch zugesagt hatte, mit dem FZ Jülich und dem Institut für Reaktorsicherheit der RWTH Aachen zusammenzuarbeiten. Um Doppelarbeit zu vermeiden, und da ja das ganze bisherigen Forschungs-know-how in Aachen/Jülich liegt, wollte er Kontakt zu Prof. Dr. Allelein aufnehmen.

Zur weiteren Entwicklung/Bearbeitung der Hochtemperaturreaktortechnik habe ich auf Vorschlag des FZ Petten an der von der EU/FZ Petten organisierten Tagung “HTR-2010, Energy for Industry” vom 18.-20. Oktober in Prag teilgenommen. Es war daran gedacht, daß ich dort einen Vortrag halten sollte. Aus Termingründen wurde aber dieser Beitrag auf die im Mai stattfindende Tagung über “Advances in Nuclear Power Stations” in Nizza vertagt. Auf Bitten von Petten werde ich dort eine Vortrag über das Thema: “ Technology and Future Possibilities to Produce High Temperature Heat from Nuclear Power Stations” halten.

Erlauben Sie mir aber bitte,  Ihnen und Ihren Mitarbeitern meine Eindrücke von dem Kongress in Prag nachfolgend zu schildern.

In der HTR_Technik wird mit viel Aufwand und großem Wissen in China geforscht. Die Entwicklung und Fertigung der kugelförmigen Brennelemente nach Prof. Dr. Schultens Vorschlag aus 1958 wird intensiv bearbeitet, Basis, aber darüber spricht man nicht mehr, Jülicher know-how. Hier wird m.E. mit einem geradezu phänomenalen Aufwand gearbeitet. Zwei größere Demonstrations-Reaktoren sollen 2013 in Betrieb gehen. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Fragen der Entwicklung von Materialien, die im Hochtemperaturbereich eingesetzt werden können. Hier wird ebenso viel Aufwand getrieben, der Erfolg erscheint mir aber bescheiden zu sein.

Ähnlich groß geforscht und entwickelt wurde in Südafrika. Dort wurde der sogenannte PBMR –Bebble-Bed-Modular-Reactor mit einem Milliarden Aufwand vorangetrieben. In meinem Vortrag, den ich 2009 in Biblis gehalten habe, hatte ich bereits Bedenken angemeldet und geäußert, daß diese Konstruktion für den Deutschen Markt nicht genehmigungsfähig sein dürfte. Ein ähnliches Konzept wurde in einer Führungsbesprechung von BBC/Krupp in 1967 diskutiert. Es wurde in dieser Besprechung als technisch nicht realisierbar entschieden und nicht weiter verfolgt. Tatsächlich ist dann das Projekt in SA an, soweit meine Informationen stimmen, exakt diesen Problemen gescheitert, die wir bereits 1967 besprochen hatten. Ein schwerer Rückschlag für die ganze Entwicklung dieser Technologie. Wie es dort weitergeht, weiß noch niemand. Es wäre schade, wenn das dort erarbeitete große Wissen auf dem Sektor der Entwicklung, Fertigung und Prüfung von Brennelementen, der Reaktorphysik, und mit den geradezu großartigen Versuchseinrichtungen, nicht mehr weiter geführt und genutzt werden könnte.

Weitere Entwicklungen in ähnlichen Fragen, vor allem der Materialentwicklung, BE-Entwicklung und deren Prüfung, der Reaktorphysik, auch mit stabförmigen Elementen, laufen in NL/Petten; Frankreich, Großbrittanien, USA; Japan, wobei die Japaner den Schwerpunkt der Einsatzmöglichkeiten eines HTR bei der Stahl- und Eisenerzeugung sehen, sowie in Korea, Brasilien, Indien, also in praktisch allen wichtigen Industriestaaten.

Das Ergebnis der vorgetragenen Experimente bei der Fertigung und Prüfung der kugelförmigen Brennelemente und des Rückhaltevermögens von Spaltprodukten durch die 3-fach beschichteten “Coated Particles” war erstaunlich. Alle neueren Experimente, die mit hohen Aufwand betrieben worden sind, zeigten, daß die Ergebnisse, mit denen bei der Auslegung des AVR und des THTR 1966 von der KFA Jülich und BBC/Krupp gerechnet wurde, in ganz engen Grenzen richtig waren. Eine meiner Meinung nach herausragende Leistung unserer Kernphysiker, die mit relativ bescheidenen Forschungsmitteln zu einwandfrei richtigen Ergebnissen gekommen sind. Neue Erkenntnisse wurden daher nicht vorgetragen. 1966 wurde bereits alles schon in Deutschland richtig gemacht.

Die positiven Ergebnisse des Betriebs der beiden Reaktoren bestätigen dies.

Damit zeigt es sich erneut, daß Deutschland in den 80iger Jahren die absolute Führung in der Welt auf diesem Sektor hatte. Daß die BRD nun heute, als einziges Land unter den wichtigsten Industriestaaten der Welt, diese erfolgreiche Entwicklung nicht weiter betreibt, sollte der Bundesregierung und der Industrie zu denken geben.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Frage der Endlagerung zu sprechen kommen. Der THTR-300 befindet sich im sogenannten “sicheren Einschluß”. Alle in den Spannbetonbehälter eingebauten Komponenten, die mehrjährigen Strahlung ausgesetzt waren, befinden sich noch im Spannbetonbehälter. Es zeigt sich heute nach etwa 21 Jahren, daß dies ein extrem sicherer Einschluß ist. Außerhalb des SBB ist praktisch keine Strahlung mehr meßbar, so daß er ohne jeden Schutzbekleidung und ohne irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen besichtigt werden kann.

Die Brennelemente des AVR und des THTR sind in Sphärogußbehältern, die speziell für diese Elemente als in etwas abgewandelte “Castorbehälter” konstruiert wurden, seit über 20 Jahren in Ahaus eingelagert. Die praktisch nicht mehr meßbaren Strahlung außerhalb dieser Behälter liegt bei 1 Mikro-Sievert pro Stunde, das ist weit weniger, als die natürliche radioaktive Strahlung der Erdkruste und der Sonne. Die Behälter könnten daher praktisch überall aufgestellt werden. Vielleicht einmal im Eingang des Bundeskanzleramtes, des BMU oder des BMBF mit dem Hinweis : “So sicher und einfach ist die Endlagerung von Brennelementen aus Hochtemperaturreaktoren”.

Noch ein persönliches Wort zu den extrem hohen Kosten des Rückbaus des AVR in Jülich, die ja irgendwo auf zwischen 500.000,- und 1 Milliarde Euro geschätzt werden. Meine Frage an alle daran beteiligten deutschen Institutionen: Was würde diese wohl sagen, und auch der Rest der Welt, wenn man in der Ukraine auf die Idee kommen würde, den “Betondeckel” über dem verstrahlten Reaktor von Tschnernobyl abzutragen, um an die immer noch strahlenden Elemente des explodierten Reaktors zu kommen, um diese dann unter hoher Strahlengefährdung des Personals irgendwohin zu transportieren und dort dann endzulagern? Die Antwort kann sich jeder vernünftge Mensch selbst geben. Doch exakt dies geschieht z. Zt. In Jülich. Der BIO-Schild II des Reaktores stellt eine exellente Strahlenabschirmung dar, besser geht es in keinem “Endlager”. Hätte man den ganzen Raum innen, und auch die Innenräume der Reaktordruckbehälter, mit Porenbeton ausgegossen, hätte dies in 2 Monaten erledigt sein können, es hätte vielleicht 5-10 Millionnen Euro gekostet. Am BIO-Schild wäre beispielsweise Efeu gut gerankt, inmitten des Waldes wäre ein wunderschöner Aussichtsturm entstanden, den viele naturverbundene Wanderer und Radfahrer gerne genutzt hätten. Die Strahlung hätte auch hier niedriger gelegen, als die der Sonne, wenn sie denn scheint. Aber aus Fehlern kann man ja immer noch lernen, es sei denn, man ist durch seine Ideologie am vernünftigen Denken verhindert.

Nochmals, der erste GAU fand 1967 in Jülich statt, und keiner hat davon etwas gemerkt.

Die weiteren nukleartechnischen, sicherheitstechnischen, betrieblichen, und wirtschaftlichen Vorteile der Nuklearen Hochtemperaturtechnologie habe ich in der Anlage zusammenfassend beschrieben.

Details zu meinen vorstehenden Ausführungen und Überlegungen bitte ich aus meinen Vorträgen, die alle im Internet nachzulesen sind, zu entnehmen.

Wann endlich wird Deutschland wieder ein Land, in dem der, der etwas “schafft” das Sagen hat, und nicht nur der, der gegen alles und für nichts ist, frei nach dem Wort: “Ich kenne Ihre Gründe nicht, will sie auch nicht verstehen, aber ich mißbillige sie”. – Siehe auch “Stuttgart 21”-.

Es wäre schade, wenn diese Technologie endgültig in den Schubladen verkommen würde. Geforscht wurde viel, nun muß auch einmal etwas realisiert werden. Die Erfahrungen, die wir beim AVR und THTR erworben haben, sind heute noch Weltspitze. Ein neues Reaktorkonzept mit Berücksichtigung der positiven und negativen Erfahrungen mit dem AVR und dem THTR liegt vor. Es könnte sofort ingenieurtechnisch bearbeitet werden.

Herr Prof. Dr. Bachem, Chef des FZ Jülich,  hat vor kurzem in einem Vortrag im Westfälischen Industrieklub in Dortmund gesagt, daß das Ergebnis von wissenschaftlicher Forschung , deren Kosten und deren Umsetzung in technisch, volkswirtschaftlichen Nutzen kaum irgendwo so gering ist, wie in Deutschland.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Dr.-Ing. Urban Cleve