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Kernenergie und erneuerbare Energien

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veröffentlicht 05.06.2010

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, CEO RWE Innogy GmbH, Essen

Kernenergie und erneuerbare Energien - (k)ein Widerspruch?

Auszug und Ergänzungen durch Dr. Ludwig Lindner

Wenn die nur zeitweise und ungesicherten erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne in starkem Maße genutzt werden sollen, dann müssen für eine gesicherte Stromversorgung andere Kraftwerke zur Verfügung stehen. Denn die Bürger und die Industrie sind nicht bereit den Strom in Abhängigkeit vom Wetter zu beziehen. Im Haushalt muss der Strom ständig verfügbar sein für Licht und Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Kühlschrank, Küchenherd, Mikrowelle, Geschirrmaschine, Elektrische Heiz- und Klimageräte, Toaster, Computer usw. Und für die Industrie und die Arbeitsplätze ist ein ständig verfügbarer Strom notwendig.

Der Anspruch an Flexibilität im deutschen Stromnetz wird mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien weiter wachsen.  Heute beträgt der Anteil erneuerbaren Stroms rund 15 % des Gesamtbedarfs. Abgesehen von der Biomasse werden vor allem Wind- und Solarstrom ausgebaut. Heute produzieren die Windräder an etwa 100 Tagen im Jahr nahezu null, an etwa 20 Tagen des Jahres werden aber 25.000 MW Volllast erreicht. In der restlichen Zeit verteilt sich die erzeugte Menge wie eine Fieberkurve zwischen diesen Extremen. Manchmal kommt es innerhalb eines Tages zu Schwankungen von  20.000 MW, zum Beispiel wenn eine starke Windfront über das Land zieht. Mit stetiger Erweiterung von Wind und Solar werden diese Extreme noch dramatischer werden. Unabhängig von der Notwendigkeit, Speichertechnologien auszubauen, müssen deshalb andere Kraftwerke einspringen, die rasch auf das schwankende Angebot von Windstrom reagieren können.

Ein Blick in Lehrbücher und Vorlesungsunterlagen zur Elektro- und Energietechnik hilft schon weiter: Kernkraftwerke können (wie Wasserkraftwerke) schneller geregelt werden als Kohlekraftwerke
(TU Hamburg-Harburg, Einführung in die elektrische Energietechnik). Sie können mit einer Leistungsänderung von fünf Prozent in der Minute bis auf 45 Prozent der Leistung zurückgefahren und ebenso schnell auch wieder auf 100 Prozent hochgefahren werden. Kohlekraftwerke brauchen etwa die dreifache Zeit, um herauf- oder heruntergefahren zu werden, und selbst Gaskraftwerke benötigen fast doppelt so viel Zeit, um sich der fluktuierenden Einspeisung der erneuerbaren Energien oder auch den Nachfrageschwankungen anzupassen.

Schon heute werden die deutschen Kernkraftwerke zum Ausgleich der häufig sehr starken und schnellen Schwankungen in der Erzeugung von Windstrom eingesetzt. Nicht nur, dass sie ihre Last sehr schnell ändern können, sie verfügen aufgrund ihrer Größe im Vergleich zu anderen Kraftwerkstypen auch über einen größeren Regelbereich, in dem die Anlage ohne Probleme eingesetzt werden kann. So ist beispielsweise das Kernkraftwerk Emsland für eine Laständerung von 120 Megawatt (MW) pro Minute ausgelegt und kann bei einem Regelbereich von 45 bis 100 Prozent eine Regelleistung von rund 730 MW bereitstellen. Um der Windenergie den ihr gebührenden Vorrang zu lassen, regelt das Kernkraftwerk Unterweser heute schon an über 100 Tagen im Jahr seine Leistung auf bis zu 55 Prozent ab.

Es ist eine Tatsache, dass die Fähigkeit, Lastschwankungen auszugleichen, schon bei Auslegung und Design der heute am Netz befindlichen Kernkraftwerke ein grundlegendes Kriterium war. In Summe können die deutschen Reaktoren deshalb innerhalb von 15 Minuten eine Regelleistung von bis zu 9.600 MW liefern.
Durch diese hohe Einsatzflexibilität, ihre CO2-freie Stromerzeugung und ihre vergleichsweise geringen Stromerzeugungskosten stellen die Kernkraftwerke deshalb ideale Partner für die erneuerbaren Energien mit ihrer nicht vorhersehbaren Verfügbarkeit dar. Im Gegenteil: Die vorzeitige Abschaltung von Kernkraftwerken würde den weiteren Ausbau der Windenergie erschweren.

Ohne Kernenergie stiege die Abhängigkeit von Importen, würden wir die Klimaziele verfehlen und mit steigenden Energiepreisen vor sozialen Brüchen stehen, die die Gesellschaft erschüttern würden.

Literatur: Zukunfts!Fragen, Anzeigen-Sonderveröffentlichung des Deutschen Atomforums, Februar 2010, www.energie-fakten.de

Dr. Ludwig Lindner