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veröffentlicht 03.06.2011
Dr. Lutz Niemann vom 01.06.2011
Die Irrtümer in der Kernenergiediskussion
In der Kernenergiediskussionen haben sich im Laufe der Jahre viele Irrtümer eingeschlichen. Einfache, aber falsche Standartargumente werden ständig wiederholt und schließlich auch geglaubt. So funktioniert die Volksverführung, die Politik macht Gebrauch von davon. Was richtig ist, sollte an Hand unpolitischer Fachbücher beurteilt werden, im folgenden ein Versuch dazu.
Ist Radioaktivität gefährlich? Die ganze Welt ist voller radioaktiver Stoffe. Auch der Mensch trägt Radioaktivität in seinem Körper, er ist eine Strahlenquelle und bestrahlt sich selber und seine Umwelt. Seine Radioaktivität beträgt etwa 125 Becquerel (Bq) pro kg Körpergewicht, also ca. 7 000 Becquerel bei 55 kg und 14 000 Becquerel bei 110 kg Gewicht, im Mittel kann man mit 10 000 Becquerel pro Person rechnen. Um die Bedeutung einer Menge von Radioaktivität beurteilen zu können, ist ein Vergleichsmaßstab erforderlich. Man muß wissen, was eventuell gefährlich sein könnte und was harmlos ist. Die Zahl der radioaktiven Zerfallsprozesse in Becquerel (Bq) sagt wenig aus, maßgebend ist erst die Dosis in Sievert (Sv), ein Maß für die im menschlichen Körper durch radioaktive Strahlen umgesetzte Energie. Bei einer kurzzeitigen Ganzkörperdosis von ca. 1 Sievert leidet der Mensch unter der Strahlenkrankheit, aber er gesundet wieder. Bei der 5-fachen Dosis ist mit dem Tode zu rechnen. Bei einer Teilkörperbestrahlung sieht es ganz anders aus: bei Krebsbehandlungen werden Organdosen von ca. 40 Sievert in ca. 20 Einzelportionen verabreicht, bei Röntgen oder CT können Organdosen größer als 100 Milli-Sievert erreicht werden, das verträgt der Mensch -1-. Immer spielt die körperliche Verfassung und die Zeit der Einwirkung eine Rolle, weil sich der Organismus erholen kann. Das ist individuell verschieden. Ein passender Vergleich ist die Flasche Schnaps, in kurzer Zeit getrunken kann es extrem schädlich sein, nicht aber bei Verteilung über ein Jahr - Alkohol hat ebenso wie ionisierende Strahlung eine deterministische Wirkung (Strahlenkrankheit bzw. Alkoholvergiftung) und als zufällige Wirkung ein Krebsrisiko.-
Die Hintergrundstrahlung in Japan (Fukushima) ist sehr niedrig, sie liegt bei 0,05 bis 0,07 Mikro-Sievert pro Stunde. Erst beim hundertmillionenfachen im Bereich einiger Sievert wird es gefährlich. Dazwischen liegen gesetzlich festgelegte “Grenz“-Werte, die weit vom “gefährlichen“ Bereich entfernt sind und als Vorsorgewerte zu sehen sind.
Grundsätzlich gilt der Satz des Paracelsus auch für Radioaktivität: “Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht das Gift“. Und bei kleiner Dosis gibt es die „adaptive Antwort“ eines Organismus, denn das Immunsystem des Körpers wird durch eine kleine Dosis trainiert. Der Organismus lernt es, sich gegen eine Einwirkung von außen zu wehren, wie am Prinzip der Schutzimpfung eindrucksvoll bewiesen wird. Eine kleine Dosis ist nicht schädlich, sie ist nützlich.
Die Halbwertszeit beträgt 30 Jahre! So oder ähnlich heißt es, um eine immerwährende Gefahr zu suggerieren. Aber die besagt nichts über “Gefahr“. Es ist umgekehrt, eine große Halbwertszeit heißt, dass wenige Atomkerne zerfallen, das bedeutet wenig Strahlung und daher harmlos. Kleine Halbwertszeit bedeutet, dass viele Atomkerne pro Zeiteinheit zerfallen, das heißt dann starke Strahlung und höhere Gefahr. So wurde der ehemalige russische Agent Alexander Litwinenko mit Polonium-210 vergiftet, ein alpha-Strahler mit der Halbwertszeit 138 Tage. Zur Vergiftung reichte ein Mikrogramm in seinem Körper, das sind 200 000 000 Bq. Andererseits kommt der größte Teil der Radioaktivität im menschlichen Körper vom Kalium-40. Es sind ca. 4500 Bq mit Halbwertszeit 1,3 Milliarden Jahre. Der Mensch strahlt fast unendlich lange, das ist harmlos.
Ist eine ”verseuchte“ Gegend auf ewig unbewohnbar? Beispiel Tschernobyl Vier Jahre nach dem Tschernobyl-Unfall konnte erstmals das Gebietin den Nachfolgestaaten der UdSSR von Leuten aus dem Westen betreten werden, es waren Fachleute der Wiener IAEA für ca. 3 Monate dort. Von 8000 an die Bewohner verteilten Filmdosimetern zeigten 90% nach 2 Monaten nichtsan, weniger als die Nachweisgrenze 0,2 Milli-Sievert. Es errechnet sich weniger als 0,15 Mikrosievert pro Stunde, die ganz normale Hintergrundstrahlung -2. Zum Vergleich: beim Fliegen auf Reiseflughöhe in unseren Breiten beträgt der Strahlenpegel 5 Mikro-Sievert pro Stunde, in der Concorde waren es wegen der größeren Höhe bis 15 Sievert pro Stunde. Daher kritisierte die IAEA in ihrem Bericht die als zu weitgehend aus Gesichtspunkten des Strahlenschutzes, dsgl. die Lebensmittelrestriktionen. Für die evakuierte 30-km-Zone um Tschernobyl wird heute eine zusätzliche Jahresdosis zwischen 0,5 und 5 Milli-Sievert pro Jahr angegeben -3- (in Deutschland haben wir bis zu 10 Milli-Sievert pro Jahr, punktuell ist die Dosis noch höher). Es wohnen in der 30-km-Zone wieder Rückkehrer, die man gewähren lässt, und es arbeiten dort auch über 10 000 Menschen, die aber in der Regel in dem 45km entfernten neu erbauten Ort Slavutich schlafen. Man kann das Gebiet um Tschernobyl als Tourist besuchen, dann erhält man beim Flug dorthin eine höhere Dosisleistung und auch höhere Gesamtdosis als vor Ort selber -4-. Beispiel Fukushima
In Japan ist alles anders, es gab von Beginn an ausführliche Info über das Internet, auch in deutscher Übersetzung -5-. Aus dem Verlauf der öffentlichten zur an verschiedenen Messpunkten beim Kraftwerk Fukushima ist alles wichtige zu sehen: Es gab Freisetzungen von Radioaktivität durch die Explosionen und die Druckentlastungen des Containment, dabei wurden während einiger Stunden etliche Milli-Sievert pro Stunde erreicht. Inzwischen geht der Strahlungspegel kontinuierlich an allen Messstellen zurück. Die Strahlung hat die höchsten Werte dicht an den Reaktorblöcken (inzwischen unter 500 Mikro-Sievert pro Stunde), an den ca. 1km entfernten Toren des Geländes < 100 Mikro-Sievert pro Stunde bis < 20 Mikro-Sievert pro Stunde.
Die Daten am Kraftwerksstandort werden in groben Zügen durch Messungen der Ortsdosisleistung am 3.4.2011 im 30-km-Umkreis bestätigt -6-:
Entfernung vom Kraftwerk in km
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Ortsdosierung in Mikro-Sievert pro Stunden
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30
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1,1
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20
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1,3
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17
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2,5
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15
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6,5
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8
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5,5
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3
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3,6
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2,9
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1,2
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2,5
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7,8
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1,8
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11
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1,5
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94...109
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Zum Vergleich: Ortsdosisleistung Reiseflughöhe um 5 Mikro-Sievert pro Stunde. Jahresdosis für fliegendes Personal im 2,2 Milli-Sievert und maximal 9,0 Milli-Sievert --. Es gibt auf der Welt Orte mit einer Jahresdosis > 100 Milli-Sievert, auch dort leben Menschen ohne Beeinträchtigung ihrer Gesundheit --.
Die Daten zeigen, dass niemand außerhalb des Kraftwerkgeländes Fukushima schädliche Dosis erhalten wird, die Grenze bis zum Erreichen der Strahlenkrankheit ist weit. Der Strahlenpegel ist im Vergleich zur Hintergrundstrahlung vor dem Unfall erheblich angestiegen, um das hundertfache oder noch mehr. Dennoch ist der Abstand zur schädlichen Dosis mit weniger als einem tausendstel noch groß genug. Dvorsorglich evakuierten Gebiete werden bald wieder bewohnbar sein, falls es die japanischen Gesetze erlauben. Es sind nach Beschluß der japanischen Regierung weitere Evakuierungen im größeren Abstand > 20 km Abstand geplant, wenn dort Jahresdosen > 20 Milli-Sievert erreicht werden können --.Ob diese Absichten tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten, ebenso die Dauer aller Maßnahmen.
Für die Mitarbeiter im Kraftwerk wurde ein Grenzwert von 250 Milli-Sievert festgesetzt -5-.21 Arbeiter erhielten eine Dosis zwischen 100 mSv und 250 mSv . Sie werden mit sehr hoher Sicherheit keine gesundheitlichen Schäden davon tragen.
Das apokalyptische Bild einer auf ewig unbewohnbaren Gegend beruht auf überzogenen Vorsorgeforderungen. Gesetzesänderungen könnten Abhilfe schaffen. Eine gedankliche Übertragung der Strahlenschutzgesetze auf das Gift, Suchtmittel und Kanzerogen Alkohol offenbart den Unsinn der strengen Vorschriften.
Was ist mit “verseuchten“ Lebensmitteln? Natürlich kommt mit der Nahrung zusätzliche Radioaktivität in den Körper, das galt bei Tschernobyl, das gilt heute für Fukushima. Entscheidend ist die Dosis. Betrachten wir ein Beispiel: radioaktiv “belastete“ Pilze mit 4000 Bq pro kg, das liegt um den Faktor 100 über dem Durchschnitt unserer Lebensmittel von 40 Bq/kg. Durch Verspeisen von 100g dieser Pilze – das sind 400 Bq – hat der “Standartmensch“ an Stelle von 10 000 Bq vorübergehend 10 400 Bq in seinem Körper. Das ist harmlos, schließlich gibt es genug Menschen, die durch wenige kg höheres Körpergewicht immer eine höhere Aktivität erreichen. In der Nuklearmedizin werden dem Patienten 100 000 000 Bq oder mehr direkt in die Blutbahn gespritzt, also wesentlich mehr als die Eigenaktivität. Maßgeblich ist immer die Dosis, das ist bei 400 Bq Cs-137 die Zusatzdosis von 5,6 Mikro-Sievert. Das ist die Zusatzdosis, die man bei einem 1-stündigen Flug auf Reiseflughöhe in unseren Breiten erhält, wie schon gesagt wurde.
Erst neulich hat Frau Ministerin Aigner mitgeteilt, dass aus Vorsorge der “Grenz“-wert für Lebensmittel von ca. 1000 Bq/kg auf die Hälfte verringert worden ist. Wer 1 kg Nahrungsmittel mit 500 Bq/kg verspeist, erhält eine Dosis, die rund einer Flugstunde entspricht. 70 Millionen Deutsche gehen im Jahr auf Flugreise, und das nicht nur für eine Stunde, das wird toleriert. Dieselbe Dosis durch Lebensmittel soll nicht erlaubt sein – warum, das hat Frau Ministerin Aigner nicht erläutert. Die Gesetzgebung um Strahlung und Radioaktivität ist nicht von Logik gekennzeichnet, es ist unverständliche Politik!
Was sind die Schlussfolgerungen? In unserer Welt – insbesondere in Deutschland – wird eine Strahlendosis durch Radioaktivität sehr unterschiedlich beurteilt, sehr streng bei Kernkraftwerken, großzügig hingegen bei Flugreisen, Medizin und Bodenstrahlung, das ist Politik --. Würde das Minimierungsgebot der Strahlenschutzgesetzgebung auf alle Strahlenquellen in gleicher Weise angewandt, dann müsste man zunächst einige Gegenden in Deutschland (und anderen Ländern) entvölkern, dann den Flugbetrieb abschaffen, in die Nuklearmedizin und Computertomographie eingreifen und erst als letztes sich den Kernkraftwerken zuwenden. Die endgültigen Folgen für Japan müssen abgewartet werden. Heute ist abzuschätzen, dass durch die zerstörten Kernkraftwerke in Japan keine Menschen zu Schaden kommen werden, weder innerhalb des Kraftwerksgeländes noch außerhalb. Wären die gesetzlich vorgeschriebenen Evakuierungen nicht erfolgt, so wäre dennoch niemand zu Schaden gekommen. Es bleibt abzuwarten, ob die IAEA es wagen wird, die Führung eines 120-Millionen-Volkes deswegen zu kritisieren, wie es im Falle von Tschernobyl geschehen ist. Die Kraftwerke von Fukushima zeigen im Vergleich zu denen in Deutschland Mängel, die unsrigen sind als noch sicherer einzuschätzen. Warum dennoch die Kernkraftwerke in Deutschland weg sollen, bleibt ein Geheimnis unserer Politiker. Die Kerntechnik ist keine Risikotechnologie, wenn in unzähligen Broschüren, Verlautbarungen, Studien ein Gegenteiliges behauptet wird. Niedrige Strahlendosen sind nicht schädlich, sie sind nützlich für Lebewesen, das war gängiges Wissen in den 50-er und 60-er Jahren. Dieses Wissen wird in der Fachwelt heute nicht mehr beachtet, es wird aussterben. In Deutschland wird vom Bundesamt für Strahlenschutz versucht, die Schädlichkeit niedriger Dosen zu beweisen, Aufträge zu Studien wurden vergeben. Es ist zu erwarten, dass in den fertigen Arbeiten schwammige Formulierungen stehen, mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen.
Es gibt immer wieder Berechnungen von hohen zu erwartenden Opferzahlen infolge Krebs durch Strahlung. Derartige Rechnungen sind nur bei solchen Risiken zu finden, die in die politische Diskussion geraten sind, das sind Radioaktivität, Feinstaub, Nichtraucherschutz. Mit Hilfe der dazu benutzten LNT-Theorie können aus kleinen Risiken große beeindruckende Opferzahlen errechnet werden. Von renommierten Strahlenschutzfachleuten wird dieses Vorgehen als falsch beurteilt -8- -1-. Dazu wird später gesondert berichtet.
Literatur
- Hans Kiefer, Winfried Koelzer, „Strahlen und Strahlenschutz“, 2. Aufl. 1987, ISBN 3-540-17679-9
- ”Das internationale Tschernobyl-Projekt“, Schlussfolgerungen und Empfehlungen, IAEA, 1991
- Jürgen Kraemer, Dietmar Zappe: „Tschernobyl und die 30-km-Zone“, atw 56. Jg. (2011) Heft 2
- Hermann Hinsch, "Das Märchen von der Asse", ISBN 978-3-8370-9977-5, Seite 30
- Radiologischer Lagebericht unter http://fukushima.grs.de/
- www.youtube.com/watch?v=yp9iJ3pPuL8&feature=player_embedded
- StrahlenschutzPRAXIS 1/09
- Z. Jaworowski, Symposium „Entwicklungen im Strahlenschutz“ am 29.11.2001, München, auch in atw 47, Januar 2002, Seite 22 – 27
- Dr. Klaus Henrichs, „Nutzen und Kosten der neuen deutschen Strahlenschutzverordnung aus pragmatischer Sicht“, Symposium „Entwicklungen im Strahlenschutz“ am 29.11.2001, München
- Prof. Klaus Becker, „Ursachen, Folgen und Therapie des Radiophobie-Syndroms“, Vortrag am 28.5.2003 an der University of Massachusetts, gedruckt in atw 49. Jg. (2004) Heft 3 – März, S. 177 ff
siehe www.eike-klima-energie.eu, hier in überarbeiteter Form: www.buerger-fuer-technik.de
Dr. Lutz Niemann
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