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Ethikbrief an die Bundeskanzlerin

Home > Kernenergie ab 2010 > Ethikbrief an die Bundeskanzlerin

veröffentlicht 05.06.2011

Günter Braun

Ethikbrief an die Bundeskanzlerin

An Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,    internetpost@bundeskanzlerin.de

An die Herren

Ministerpräsident Dr. Seehofer,        staatskanzlei@stk.bayern.de
Minister Dr. Söder,                 redaktion@soeder.de
Bundesminister Dr. Röttgen,          Poststelle@bmu.bund.de
 

An die Ethik-Komission für eine sichere Energie-Versorgung

vornehmlich an

Herrn Dr. Klaus Töpfer               klaus.toepfer@gmail.de
Herrn Kardinal Dr.Marx              pressestelle@erzbistum-muenchen.de
Herrn Landesbischof Dr.Friedrich       info@ekd.de

Herrn Dr. Alois Glück                Hörzling23, 83374 Hörzling, per Post
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich möchte nicht schulmeistern.

Aber als praktizierender Christ ist es mir ein Anliegen, für die Erhaltung der Natur, mehr Ehrlichkeit, weniger Profitgier und vor allem weniger Machtgier in der Politik einzutreten. Deshalb erlaube ich mir, zum Thema Kernenergie-Ausstieg einige Gedanken und hoffentlich Denkanstöße beizutragen, da immer nur die Euphorie für den Ausstieg aus der Kernenergie (von Atomen kann man nicht aussteigen!) vorherrscht.

Bei einer ethischen Betrachtung darf Nachstehendes nicht ”unter den Tisch“ fallen:

Wind und Sonne sind nicht planbar. Vollast-Windstunden onshore sind ca. 1.500 Std/a, Sonnenstunden ca. 1.000 Std/a. Das Jahr hat aber 8.760 Std. Zur Stromspeicherung gibt es bisher nur schöne Ideen, aber keine marktreife Lösungen. Die Nutzung norwegischer Pumpspeicher-Kraftwerke macht die Versorgung unwirtschaftlich: Seekabel-Verluste, Speicher-Verlust ca. 20%, Vergütung an Norwegen, Rücktransport und Verteilung. Man sollte sich bei den Niederlanden erkundigen, warum man dort beschlossen hat, dieses System nicht weiter zu verfolgen. Man baut die Kernenergie aus.

Winter und Hochsommer sind Schwachwindzeiten, die oft 6-8 Wochen dauern. Bis dahin sind die Pumpspeicher leer.

Ende 2009 gab es in Deutschland 13 Mio m² Solarfläche, Anteil an der Stromerzeugung 1,9%.

Biogas-Anlagen erwähne ich nun, da sich eine neue Problematik abzeichnet:

Wie wollen Sie Profitgier und den Missbrauch landwirtschaftlicher Flächen verhindern, wenn beides ausgebaut werden soll? Bereits jetzt klagen Landwirte, dass sie die Pacht nicht mehr zahlen können, weil Verpächter mit Solarparks und nachwachsenden Rohstoffen mehr Geld verdienen. Monokulturen haben Auswirkungen auf die Artenvielfalt und das Leben der Bienen. Ohne Bienen kein Obst. Mais, Weizen, Roggen und Zuckerrüben werden zu Gas verarbeitet, gleichzeitig steigen die Lebensmittelpreise, die Schlangen an den ”Tafeln“ werden länger.

Für den Bezug von nachwachsenden Rohstoffen werden in Südamerika, Afrika und Asien aus Regenwäldern Monokulturen. Ethisch vertretbar?

Wer investiert in Solarparks? In- und ausländische Investoren ( in Niederbayern z. B. Thurn & Taxis ), die sich auf Kosten der Bürger 20 Jahre lang bereichern. Ethisch vertretbar?

Die bayerische Staatsregierung will den Ausfall von Wind- und Sonnenenergie und 50% der fehlenden Kernenergie durch zusätzliche Gaskraftwerke ausgleichen. Bereits jetzt bezieht Deutschland ca. 44% des Erdgases aus Russland. Ist diese gewaltige Abhängigkeit vertretbar? Es gibt da auch eine Pipeline nach China. Die Chinesen haben einen riesige Energie-Hunger. Was, wenn die sagen: ”wir zahlen das Doppelte“. Dann schauen wir ganz schön alt aus!

Die AKW in Deutschland sollen durch zusätzliche Gas- und Kohlekraftwerke zum Teil ersetzt werden, um das Netz zu stabilisieren und den Ausfall von Wind- und Sonnenenergie zu kompensieren. Bereits jetzt sind Kohlekraftwerke hochgefahren worden. Neue Kohlekraftwerke bleiben mindestens 30 Jahre am Netz. Und der Klimawandel? Und die Menschen, die bereits heute durch Überflutungen, Wirbelstürme, Dürren und steigenden Meeresspiegel leiden, was ist mit ihnen? Ethisch vertretbar?

Information:

Laut Bundes-Wirtschaftsministerium ersetzt 1 kg Uran, zu 3,5% angereichert, so wie es in einem Brennelement ist
120.000 kg Steinkohle oder
85.000 kg Erdöl und die entsprechende menge CO2!

Wir beziehen momentan Strom aus Frankreich und Tschechien, weil Windstrom vom Norden nicht in die Industriezonen transportiert werden kann. Natürlich aus weniger sicheren AKW und aus Kohlekraftwerken. Auf die Sicherheit ausländischer Kraftwerke haben wir keinen Einfluss. Wir provozieren, dass AKW – z.B. Fessenheim in Frankreich – länger am Netz
bleiben. Ethisch vertretbar?

Fest steht schon heute, dass unsere Strompreise steigen werden. Um wieviel, da kann man nur spekulieren. Aber das betri

Wir zahlen jetzt schon doppelt so viel für Strom wie die Franzosen. Hohe Stromkosten lassen die Preise der Produkte unserer Industrie steigen. Die Gewinne sinken, der Wettbewerb auf dem Markt ist hart. Da ist es logisch, dass Firmen abwandern, Menschen verlieren ihre Arbeit. Ethisch vertretbar?

Der ganze Wirbel wurde doch nur dadurch entfacht, weil die Partei der GRÜNEN hohe Stimmengewinne erzielt haben. Nun versuchen die anderen Parteien ein Stück von diesem Kuchen zu erhaschen. Die Bevölkerung wird, unterstützt durch mangelnde und falsche Information, verängstigt, in eine bestimmte Denkrichtung manipuliert und somit zum Stimmvieh. Ethisch vertretbar?

Nur in Deutschland sind mehr als tausend Polizisten nötig, damit ein Castor-Transport zum Ziel kommt. In unseren Nachbarländern reichen fünf. Und warum? Weil man nicht fähig ist, den Leuten klarzumachen, dass ohne Wiederaufbereitung der Brennstäbe die sechsfache Menge endgelagert werden müsste. Dass die so isoliert vorliegenden Endlagerprodukte wieder zur Energie-Erzeugung eingesetzt werden können. Eine erste Anlage dafür wird in Mol / Belgien gebaut. Auch im neuen Hochtemperatur-Reaktor können Endlager-Produkte als Brennstoffe eingesetzt werden ( weil eine Dipl.-Physikerin der Uni Stuttgart dies herausgefunden hat, erhielt sie 2010 einen Innovationspreis ). Wüssten die Menschen bei uns dies, wären Proteste und Kosten gering. Aber man braucht ja die Angst und Unsicherheit, um politisches Kapital daraus zu schlagen. Ethisch vertretbar?

Kein Wunder, dass die Mehrheit unserer Bevölkerung momentan gegen die Kernenergie ist. Sie wird bewusst verunsichert und verängstigt. Unsere Staatsregierung und die Bundesregierung handeln nicht sachbezogen sondern populistisch. Ich möchte hier nur an den Nato-Doppelbeschluss erinnern. Auch damals gab es massive Proteste, Sitzblockaden und Menschenketten, Politiker mittendrin. Die damalige Regierung blieb fest, Kanzler Helmut Schmidt verlor das Vertrauen seiner Partei, Helmut Kohl hielt zum Doppelbeschluss. Folge. Die Abrüstung, erste Schritte zur Beendigung des kalten Krieges. So stelle ich mir eine Regierung vor!

Und, dass wir weltweit eine Vorreiter-Rolle durch den Ausstieg haben, liebe Herren Trittin und Glück, ist Unsinn. Polen informierte 2010, dass man das erste AKW bauen will. Kürzlich wurde Berlin darüber informiert, dass man nun zwei AKW baut. Großbritannien, Niederlande, Frankreich, Tschechien, Finnland ( baut zwei zusätzliche AKW ), Schweden ( erhöht die Leistung seiner AKW )

und Russland (baut zwei AKW mit vier Reaktoren in Königsberg vor allem für den Stromexport)

setzen weiter auf die Kernenergie. Einzig Italien hat seine Pläne erstmal aufs Eis gelegt und prüft die Sicherheitsfrage der vier in Auftrag gegebenen AKW.

Wenn wir schon als einziges Land weltweit aus der Kernenergie aussteigen sollen, dann muss dies professionell geschehen. Was die Herren Seehofer, Söder und Röttgen derzeit abziehen, ist eine dilettantische Show und reiner Populismus. Warum?

Es besteht kein Grund, den Ausstieg hektisch anzugehen. Denn die Siedewasser-Reaktoren in Fukushima unterscheiden sich hinsichtlich der Sicherheits-Auslegung von unseren enorm.

Die Situation dort:

Zweifache Notstromversorgung, untergebracht außerhalb der Kraftwerke und seeseitig, Dieselöl-Tanks oberirdisch. Obwohl ( laut Bayerischer Akademie der Wissenschaften, Vortrag ) internationale Wissenschaftler zuletzt 2008 Japan gebeten haben, die Notstromversorgung tsunamisicher zu machen, ist nichts geschehen.

Zweifache Notkühleinrichtungen.

Keine Rekombinatoren, die Wasserstoff-Gas automatisch wieder ins Wasser eingliedern. Explosionen werden so verhindert.

Es gibt in Japan keine unabhängige Organisation, die AKW in festen Abständen überprüft, so wie bei uns z.B. der TÜV.

Die Situation bei uns:

Unsere Siedewasser-Reaktoren haben eine vierfache Notstrom-Versorgung. Zusätzlich gibt es außen Andockstationen für mobile luftgekühlte Notstrom-Aggregate. Die Notstromversorgung ist im Maschinengebäude untergebracht, die Tanks unterirdisch.

Unsere Nachbarn ( ei der Schweiz weiß ich es nicht) haben nur eine zweifache Notstromversorgung.

Vierfache Notkühlversorgung. Bei unseren Nachbarn zweifach.

Alle unsere AKW haben Rekombinatoren.

Unsere AKW werden jährlich zweimal vom TÜV überprüft: einmal im Stillstand beim Brennelementwechsel, einmal im Betrieb.

Eine solche Sicherheitsphilosophie gibt es weltweit nur bei uns. Selbstverständlich muss man aus der Katastrophe in Fukushima lernen und prüfen, was bei uns verbessert werden kann. So funktioniert Entwicklung. Das fing bei der Steinaxt an, ging über die Dampfmaschine weiter und hört nicht bei der Kernenergie auf, wie die derzeitige Entwicklung der IV. AKW-Generation, dem Hochtemperatur-Reaktor, zeigt.

Technische Aspekte:

22.000 Windräder erzeugten 2010 6% des Stroms. Um 40% Strom zu erzeugen wären das 147.600.
13.750.000m² PV-Flächen haben 2010 1,9% Strom geliefert. Um 20% zu erzeugen sind demnach
522.000.000m² nötig.

Und das alles finanziert durch einen Förderwahnsinn, denn die Staatskasse ist leer, der Staat überschuldet und die Beteiligung der Stromkonzerne gemäß Laufzeitverlängerung fällt weg.

Wieviel Jahre planen die ”Experten“ für die Abarbeitung der Bürger-Proteste ein?

Jeder Erzeuger muss an das Übertragungsnetz und Umspannwerke angeschlossen werden.
Laut VDI-Nachrichten v. 1.4.2011, ”Verteilnetze sind die Stiefkinder der politischen Netzausbaudebatte“:

“Joachim Nissen, Leiter der Netzwirtschaft bei RWE stellte die Kurzfassung eines Gutachtens vor, das der BDEW bei drei Instituten in Auftrag gegeben hatte:

Mittelspannungsnetze müssen um 28% = 140.000km

Niederspannungsnetze um 22% = 240.000 km

erweitert werden, bis 2020, wenn bis dahin laut Leitstudie des Umweltministeriums auf Erneuerbare umgestellt
werden muss.“

Der Ausgleich für nicht zur Verfügung stehende Erneuerbare wegen Schwachwind , Flaute etc. muss durch einen Ausgleich über das europaweite Netz und unter Einbau entsprechender Schaltelemente und Prozessrechner bewerkstelligt werden. Und da sind wir weit weg von einer höchstmöglichen Sicherheit.

Wie bereits oben erwähnt, müssen Speicher-Technologien entwickelt und zur Marktreife gebracht werden.

Herr Kai Biermann, Leiter Zentrum für regenerative Energieversorgung beim Deutschen Wetterdienst, Hamburg:

Die Photovoltaik hat noch keiner so wirklich im Griff.“

Und das soll bis 2020, also innerhalb von8 1/2 Jahren abgeschlossen sein? Dazu kommen noch 3.600 km Hochspannungstrassen für 380 kV. Die DENA, Deutsche Netzagentur, bekam vor 4 Jahren des Auftrag, 860 km Hochspannungsleitung zu bauen. 90 km sind schon lange fertig, der Rest wird von Bürgern blockiert.

Es ist unredlich, einen Termin für die Abschaltung unserer AKW und Umstieg auf Erneuerbare heute schon zu veröffentlichen. Deshalb ist es ehrlicher, das Datum offen zu lassen und vom Verlauf der Vorarbeiten abhängig zu machen. Das Alte soll man abschalten, wenn sich das Neue bewährt hat! Nicht zu vergessen: Eine ganze Technologie verschwindet aus unserem Land. Eine Technologie, die weltweit im Aufwind ist, an dem unsere Firmen zumindest als Zulieferer teilhaben sollten.

Die ganze Energiedebatte zeigt nur eines: Chaos!

Bedauerlich ist auch, dass wir keine Partei mehr haben, die konservative Politik macht.

Mit freundlichen aber besorgten Grüßen

Günter Braun
Riedstr. 4 A, 3627 Warngau
Tel. 08021-505630